08.05.2023 Alles Schlechte hat auch immer etwas Gutes.

Nachdem wir Ende Februar aus UK hierher zurück gekehrt sind empfing uns die Insel natürlich standesgemäß: mit Wind, genau gesagt mit viel Wind. Keine Ahnung ob die Griechen ihren Zoll an Aeolos (Gott des Windes) nicht bezahlt haben oder ob der türkische President Erdogan einen beachtlichen Teil seines Staatshaushaltes eben an diesen Aeolos überweist, um für windige Unruhe in Griechenland zu sorgen, es ist deftig. Die Hafenmauer hinter der wir gut geschützt liegen misst in ihrer Höhe gute 4 Meter. Hin und wieder kamen in den vergangenen Monaten da mal ein paar ohnmächtige Spritzer drüber, nicht ernst zu nehmen. Nun aber springen da ganze Wellen drüber, zumindest der obere Teil von denen. Was ein Schauspiel, es krachen Unmengen an Wasser über die Hafenmauer, wirklich große Wellen, welche 3/4 ihrer Höhe an der Hafenmauer einbüßen aber das letzte, obere Viertel jauchzt und jubelt, dass es die Mauer überwunden hat. Mit einem ohrenbetäubenden Lärm stürzt sich das Wasser auf unser Boot, es rumpelt, es kracht, es ist zum Glück ein Boot und kann auch nass werden. Unsere Fahrräder spült es wie Zahnstocher einfach weg von der Pier, ein kühner Hechtsprung und ich kann sie festhalten ehe sie für immer im Hafenbecken verschwunden wären. Nass bis auf die Haut klettere ich zurück auf unser sicheres Boot. Wir liegen hier sicher auch wenn es eine schlafarme Nacht wird, der noch eine folgen wird.

Wir haben noch einiges am Boot zu basteln, in vier Wochen müssen/wollen wir wieder los. Einmal wöchentlich starten wir beide Motoren um zu wissen, dass es ihnen gut geht. Oh Schreck, einer der beiden will nicht, röchelt, hustet, stößt nur schwarzen Atem aus, springt aber nicht an. Mist, großer Mist. Zwei meiner erklärten Nichtfreunde hier auf unserem Boot sind zum einen die Hydraulik und zum andern die Jockel (Dieselmotoren). Ich habe einfach nur rudimentäres Wissen darüber und immer Sorge, durch Nichtwissen etwas kaputt zu reparieren. Was nu? Wenn ich eins gelernt habe: stelle dir immer die Frage, was ist jetzt anders als vorher, was hat sich zwischenzeitlich verändert. Nicht anspringen heisst nicht zwangsläufig kaputt, beide Motoren liefen bis letzte Woche einwandfrei. Unsere Heizung gibt mir nach langer, verzweifelter Kopfarbeit die Antwort. Ihr erinnert euch vielleicht, die ist vor ein paar Wochen ausgefallen und nach zwei Tagen lief sie wieder. Ich konnte damals nur feststellen, dass ihr notwendiges Lebenselixir Diesel nicht da war. So habe ich die  Saugleitung aus dem Tank „durchgepustet“ und dann machte sie wieder ihren Job. 

Naja, aber irgendetwas muss sie ja verstopft haben. Wir haben zum Glück ausreichend Revisionsöffnungen um in unseren Dieseltank hinein sehen zu können. Hilft ja nun nichts, also alle öffnen. Schreckgespenst Dieselpest hat gar nicht erst versucht, sich zu verstecken. Unser Tank sah innen aus wie ein Korallenriff, zwischen klarem Diesel waberten Unmengen aufgetürmter, schwarzbrauner Mikroorganismen, welche sich mittlerweile eine ordentliche Kolonie errichtet hatten. Und diese Kolonie hatte in ihrem Ausmaß nun die Saugöffnung der Heizung und eines Motors erreicht. 

Was nu? Plötzlich bin ich von selbsternannten Experten, Fachgruppe Dieselpest umgeben. Man erklärt mir wie, was, warum sie in meinem Tank ist. Das reicht von Einschleusung feindlicher Bakterien durch den Tankstutzen über Auswaschungen der Tankinnenseite bis zu abenteuerlichen Strahlungen aus dem Weltall. Viel Unsinn dabei. Die Dieselpest entsteht in der Trennschicht zwischen Diesel und Wasser. Wasser kommt Teils beim Tanken und Teils durch Kondensation in den Tank. Und wenn diese Schicht lange Zeit still steht, dann wuchern die unerwünschten, organischen Bestandteile des Biodiesel (heute sind 10% erlaubt) eben zu jenen Kolonien. Das braucht aber einiges an Zeit und meine Störenfriede im Tank sind nicht erst seit 6 Monaten dort. 

Hilft mir das alles nur nicht weiter, denn wie ich den Tank saniere, darauf hat niemand eine Antwort, geschweige denn das notwendige Equipment. Also mal wieder „mache es selbst“: es liefert mir ein Online Portal einen 250 L mobilen Regenwassertank. Dort hinein pumpen wir mit geborgter Dieselpumpe den sauberen, noch guten Diesel. Den Rest pumpen wir in Kanister. Nachdem der Tank leer ist, wird dem Rest der Bewohner mit Isopropanol (reiner Alkohol) und Lappen in Handarbeit der Garaus gemacht. Diesel wieder rein, prophylaktisch noch ein rezeptfreies Antibiotika hinzugefügt, fertig. Am Ende bleibt ein gut 15 Liter fassender, nicht willkommener Bakterienstaat übrig. Aber so richtig funzen tut es noch nicht, beim Starten der Motoren. 

Die Dieselleitungen vom Tank zu den Motoren melden auch noch ihren Anspruch auf Befreiung von ihren organischen Besatzern an. Nachdem das erfolgt ist, summen die Motoren wieder wie immer. 

So habe ich eine Menge über Dieselmotoren und deren Wehwehchen gelernt und kann nun sagen, einen Saugmotor (unsere hören auf den Namen Yanmar) bringt nichts so schnell aus der Fassung, wenn man ihn pflegt und regelmäßig seine „Vorsorgeuntersuchungen“ durchführt. Alles Schlechte hat auch immer etwas Gutes. 

Wir hübschen unser Boot mit allerlei kosmetischen Veränderungen auf. Wir trennen uns von der Holzoptik vieler Schiebetüren und Schubfächern und bekleben diese mit Möbelfolie. Überschaubarer Aufwand an Material und Zeit, das Ergebnis kann sich aber echt sehen lassen. Uns gefällt das sehr gut. Ich bastele ein paar Blenden um Schrauben abzudecken und ergänze hier und da neue LED Beleuchtung. Unser Steuerstand bekommt von mir eine Carbon Verkleidung, die Geräte werden neu geordnet und eingebaut und ich schenke mir zum Geburtstag ein neues Steuerrad, auch in Carbonoptik. Man sieht das sexy aus. Echt. 

Ende Februar rufe ich bei der in old G. mit der Herstellung unseren neuen Segelgarderobe beauftragten Segelwerkstatt an, um den Stand der Dinge zu erfahren. Die Segel sollten Anfang, spätestens Mitte März geliefert werden, damit wir genügend Zeit zum Aufbauen haben, da unser Liegeplatz hier in der Marina zum 31.03. endet. Nächste unangenehme Überraschung. Man teilt mir mit, dass die Segel Ende März gefertigt und dann versendet werden. Hallo? Wer hat da gepennt? Unzählige Telefonate und Emails später beteuert man uns, dass unsere Segel vorgezogen und in die laufende Produktion eingeschoben werden. Mein Unmut ist riesig. Wir hören uns Ausreden, Schönreden, Geschwätz und Vertrösten an. Prallt alles an uns ab. Zu guter Letzt versucht man es mit der Opferrolle, da man zu viel zu tun hat und doch jeden Kunden zufrieden stellen möchte. Brech. So ging meine damalige Überlegung, unsere neue Segel Made in Germany machen zu lassen, voll in die Hose. Am Ende kamen die ersten beiden Segel 3 Wochen zu spät, das letzte Segel schlaffe 6 Wochen zu spät. Ohne Segel können wir nicht segeln und so müssen wir unseren Liegeplatz hier in der Marina um einen Monat verlängern. 

Wir hübschen in der Wartezeit weiter auf und probieren an zwei Stellen unsere Bodenbretter durch neue zu ersetzen. Das Ergebnis sieht gut aus, erweist sich aber nach ein paar Tagen als völlig unbrauchbar, da der neue Belag den Hang hat, jeden Krümel, jedes Haar und jeden Wassertropfen unvorteilhaft zu präsentieren. Naja, war ein Versuch. Ich baue uns eine Gangway die sich Claudia so sehr wünscht. Die braucht man, wenn man in einem Hafen mit dem Heck zur Pier liegt, um vom Boot an Land zu kommen. Bisher haben uns die Hafenmarineros immer mit Holzbohlen ausgeholfen. Das ist aber kein Lösung. Claudia näht uns neue Verschattungen/Sichtschutz für die Innenseiten unserer Salonfenster. Die alten waren nicht mehr schön und die Farbe schlicht weit weg von unserem Geschmack. Nun haben wir neue in Grau, so wie es uns gefällt. Wir stellen unsere „Lümmelecke“ draußen im Cockpit fertig und freuen uns, dass sie uns gut gelungen ist. Die Kissen hat uns der Segelmacher vor Ort angefertigt, im Übrigen pünktlich, Made in Greek. Hier noch ein Fach eingebaut, da noch die untersten Stufen vom Heck mit neuem Kiwi Grip Anstrich versehen, dort fehlte schon immer ein Griff zum festhalten.

Wir machen mit unseren Nachbarn Alice und Ralf ein paar Ausflüge über die Insel. Es soll hier eine Höhle geben, in der die ersten Besiedler der Insel lebten. Die Suche war spannend, der Weg dorthin eher klettern als wandern, das Ergebnis, naja eine Höhle. Egal, der Weg war wieder das Ziel. Wir eröffnen die Badesaison, erleben die eher raue Nordseite der Insel, besuchen einen kleinen noch recht ursprünglichen Ort an der Südküste und erwischen ein gutes Restaurant. Abends noch einen Sundowner und ein Kartenspiel zusammen. Wusstet ihr, dass das As im Kartenspiel auf bayrisch Sau heisst? Wir haben Glück mit Ralf und Alice. Es passiert nicht oft, dass man Leute kennenlernt und die Chemie stimmt vom ersten Moment an. Meist hat man irgendetwas zu beanstanden, bei den beiden nicht. Und Alice, gebürtige Schottin, gibt uns unermüdlich Englischunterricht, spricht französisch, italienisch, spanisch und ein fröhliches bayrischschottischdeutsch. 

Am 01.05. lösen wir endgültig unsere Leinen in der Marina und segeln Richtung Norden. Wir haben uns für unseren Start nur eine kurze Etappe zu einer unbewohnten, kleinen Insel ausgesucht. Wir wollen unsere nun vollzähligen, neuen Segel testen und für den Fall das Falles in der Nähe der Werft bleiben. Aber es funzt. Der Code 0 (großes Vorsegel) rollt sich aus und steht im Wind wie im Prospekt versprochen, einfach schön anzusehen. Unser Großsegel (Segel hinter dem Mast) lässt sich problemlos setzen, ist viiiiiieeel einfacher im Handling als das alte, schwere Segel und macht auch eine echt gute Figur. Aussehen ist das eine, wichtiger ist, was können die Segel? Wir sind begeistert. Bei 10-12 Knoten Wind machen wir 7 Knoten Fahrt. Das ist besser als erwartet. Wir grinsen uns beide an und freuen uns. Lediglich ein Barberholer (Leine zum trimmen des Vorsegels) schrumpft allmählich von Konfektionsgröße 38 auf Konfektionsgröße 32 und erweckt den Eindruck, als wird er jeden Moment reissen. Passiert aber zum Glück nicht, er hält durch bis zu unserem Ziel und wird sofort ersetzt. Naja, Probefahrt kommt von probieren. 

Eins noch: unsere neuen Segel sind handwerklich beste Wahl, technisch auf höchstem Standard, sehr leichte Tücher im Radialschnitt und genau das, was ich wollte: Made in Germany. Nur der administrative Teil der Unternehmung war ganz großer Mist.

Wir ankern in der Bucht auf der Nordwestseite der Insel Plati, zwei Versuche und das Eisen sitzt fest. Laut Wetterbericht bleibt der Wind die kommenden zwei Tage ausnahmsweise mal mäßig, so dass wir hier gut liegen werden. Badeleiter ab, boah ist das kalt. Aber schön, schön anzusehen die Bucht, der Strand, das klare Wasser, auffällig viele Seevögel sind hier. Möglich, dass sie hier brüten? Wir werden das erkunden. Wir verabreden uns für den kommenden Tag mit Alice und Ralf hier in der Bucht, sie werden mit ihrem Kat nachkommen. So genießen wir unseren ersten Tag wieder „auf See“ bei bestem Wetter vor schöner Kulisse. Der kommende Tag ist praktisch eine Kopie des vergangenen Tages, außer dass nun zwei Kats in der Bucht liegen. Eine gute Gelegenheit, unser neues SUP zu testen. Dies ersetzt unser Kanu, welches sich als unhandlich, sperrig und sehr windanfällig bewiesen hat.  Danach fahren wir mit den Beibooten an Land und unternehmen eine ausgiebige Wanderung. Da die vielen Seevögel uns nicht im Sturzflug attackieren, werden sie wohl auch nicht brüten. Möglich, dass sie einfach nur die Abgeschiedenheit ohne nervige und lärmende Zweibeiner genießen? Die Insel ist wirklich „Mini“ und unbewohnt, dennoch gibt es selbst hier eine kleine Kirche, einen kleinen Anleger und ein paar menschliche Versuche, etwas zu bauen, zu entdecken.

Ich habe schon wieder das Gefühl, dass man hier etwas länger bleiben könnte. Aber nein, wir wollen morgen gemeinsam weiter Richtung Norden zur Insel Leros segeln. Naja, soweit der Plan. Der Wetter-/Windbericht macht mal wieder ein Ausrufezeichen und sagt Moment: er will sich in der Nacht drehen und genau aus der Richtung kommen, in die wir eigentlich wollen. Wir warten mal ab, wie es ich entwickelt. Die Nacht wird eher unruhig da der Wind tatsächlich dreht und nun seine Wellen direkt in unsere Ankerbucht schiebt. Nicht kritisch aber unschön, ungemütlich eben. Am nächsten Morgen lichten unsere Nachbarn ob der Schaukelei zeitig den Anker und machen sich auf den Weg zur Nachbarinsel Kalymnos, dort in den kleinen Naturhafen Kathys. Wir folgen ihnen nicht, da wir die Umstände zwar als unschön aber noch nicht als „fluchtnotwendig“ empfinden. Am späten Nachmittag kommen Alice und Ralf wieder zu uns in die Bucht zurück nachdem sie sich vergewissert haben, dass wir hier besser liegen als sie im Hafen. Dort steht ein kräftiger Schwell quer in den Fjord und sorgt für noch mehr Schaukelei und am Boot zerrenden Festmacherleinen. Wir trinken zusammen Kaffee, schnattern ein bisschen und verständigen uns auf „Abwarten“. Was auch immer der Wind nun veranstalten wird, wir haben von hier aus genügend Optionen um reagieren zu können. Er will uns hier nicht haben, der Wind. Er nimmt ab Abend wieder ordentlich zu und hat seinen Spaß daran, unsere Ankerbucht als Bowlingbahn zu nutzen seine Kugeln direkt auf uns Kegel zu rollen. Wir schaukeln die ganze Nacht hindurch und wissen, dass wir hier nicht mehr bleiben können. Da wir am 09.05. ohnehin mit meiner Familie zur runden Geburtstagsfeier auf Kos verabredet sind, ist das auch unser Ziel am kommenden Morgen. Der Wind hat an Stärke wieder zugenommen und will die nächsten Tage unverändert aus Norden pusten. Mit Ziel Insel Kos zum Segeln aber gut für uns. So erreichen wir nach etwa 6 Stunden wieder die Ankerbucht vor der Stadt Kefalos, gut geschützt gegen den Nordwind fällt unser Anker. Zwar ein paar Tage zu zeitig aber Richtung Norden wären wir nicht weiter gekommen. So verbringen wir die Tage bis zum 09.05. hier vor Anker und freuen uns auf das Eintreffen meiner Familie, so wie im September letzten Jahres, nur in größerer Runde. 

Bis dahin jeden Morgen “guten Morgen meine Geliebte”.

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