28.02.2023 Die Jagd nach dem Croissant

Am 14.02. sitzen wir in aller Hergottsfrühe im Taxi zum Flughafen. Unser Ziel: Luton, eine kleine, unbekannte Stadt nördlich von London. Der Speckgürtel der Inselmetropole sozusagen. Die Stadt hat dennoch ihren eigenen Flughafen den wir mit Zwischenstopp in Athen am späten Nachmittag erreichen. Da wir nur mit Handgepäck geflogen sind, sind wir fix raus aus dem Flughafengebäude, stehen davor und suchen. Suchen unser eigentliches Ziel hier in Großbritannien: Hanna. Claudias Tochter macht hier in Luton ein achtmonatiges Praktikum an einer Schule als Deutschlehrerin und hat jetzt ungefähr Bergfest. Ihre wahre Intension, England zu besuchen war aber nicht, Deutsch zu unterrichten sondern ihre Englischkenntnisse von Standard auf Highend zu pushen. So verbindet sie ganz schlau das Angenehme mit dem Nützlichen. Und da kommt sie endlich, Umarmung, Küsschen, noch eins, schön, noch ein Küsschen. Wir fahren mit dem Bus in die „Innenstadt“ Lutons und gehen von dort aus zu Fuß bis zu Hannas WG. Sie teilt sich ein Haus mit vier Zimmern mit einer deutschen (Izem), einer französischen (Kenza) und einer mexikanischen (Gabby) Studentin, welche das selbe Praktikum in England machen wie Hanna. Amtssprache in der WG ist somit Englisch. Mit unserem nur rudimentären Englisch werden Unterhaltungen bestimmt anstrengend. 

Luton selbst ist wirklich unscheinbar, eine typische Arbeiterstadt mit kleinen Reihenhäusern, zugeparkten Straßen, Mülltonnen auf dem Gehweg und irgendwie schmutzig. Aber doch irgendwie charmant, auf seine eigene Weise eben.

Wir tauschen Neuigkeiten aus, essen zusammen die gekochte Bolognese, Küsschen, gute Nacht, morgen geht es zeitig zu unserem ersten Ausflug in die Metropole. 

Gefühlt mitten in der Nacht sitzen wir am nächsten Morgen im Zug nach London King`s Cross St. Pancras, kurzer Abstecher in die U-Bahn Victoria line. In England herrscht Linksverkehr, soweit, so gut. Was wir nicht wussten, auch in den quirligen U-Bahnen und Bahnhöfen gilt das, für Fußgänger. Wir haben so oft Leuten im Weg gestanden ehe wir das kapiert hatten. Von dort aus zum ……, na wer kommt drauf? Logisch, unser erstes Ziel heißt Buckingham Palace. England lebt mit seiner Königsfamilie und die Engländer lieben ihre Dynastie. Sei sie auch ein längst verstaubtes Relikt aus alten Zeiten, lebt doch eine gewisse Romantik in ihr. Und wir haben mal wieder alles richtig gemacht. Zu 11.00 Uhr war der große Wachwechsel geplant. Sicherlich spektakulär anzusehen, wenn die rot-schwarz gekleideten Soldaten mit ihren hohen Puschelhüten stolz über den Platz marschieren. Leider waren Ferien in England, das Wetter war gut und etwa eine Million Engländer wussten auch vom großen Wachwechsel. So war der Sitz der Königsfamilie so mit Schaulustigen umlagert, dass wir nicht mal auf Sichtweite heran kamen. Die Polizei riegelte alles weiträumig ab. Punkt, Pech. Aber dann doch noch ein kleines, eher fragwürdiges Highlight: 10 Minuten vorm großen Spektakel fährt Prinz/King of England Charles in seinem gepanzerten Rolls-Royce in den Buckingham Palace. Wir haben einen direkten Blick auf das Auto, neben ihm sitzt Schreckschraube Camilla. Braucht niemand zu sehen, ist aber doch irgendwie eine Entschädigung für das entgangene Schauspiel. 

Wir lösen uns aus der Menge und schnappen uns einen Hop on/Hop off Bus, blue line. Für mich (uns) eine wirklich klasse Erfindung. Man fährt alle Sehenswürdigkeiten ab, stellt seinen Sprachkanal ein und bekommt viele Informationen zu dem, was man gerade sieht vermittelt. Wir steigen aus am South Kensington Museums Stop (Museumsviertel). Nicht weil wir die Museen besuchen wollen, sondern weil Hannas Jagd nach dem Croissant nun beginnt. Es gibt hier eine Bäckerei, welche das beste Pistazie-Croissant von Welt bäckt. Fehlanzeige, Pistazie ist aus aber dafür gab es Schoko-Nuss-Ersatz. Lecker aber nicht DAS Croissant. Wir nehmen den nächsten vorbeifahrenden Hop on/Hop off und folgen dem Muster der Highlights in London.

Unser nächster Stop heißt Tower Bridge. Die Brücke kennen wir alle von unzähligen Fotos, den namensgebenden Tower (früherer Königssitz, Garnison und Gefängnis) eher nicht. So überqueren wir die Themse zu Fuß und lassen  die Silhouette von London auf uns wirken. Was den Stadtplanern wirklich gut gelungen ist, ist die Trennung von Alt- und Neulondon. Es gibt keinen schleichenden Übergang, keine Vermischung verschiedener Jahrhunderte. Hier ist das alte London, dort thront das neue London und strahlt mit seinen hochmodernen Glas-/Stahlfassaden. Am auffälligsten ist „the Shard“ (die Scherbe), mit 309 Metern Höhe bis 2020 der höchste Wolkenkratzer der EU. Fast scheint es so, als wäre die Scherbe ganz aus Glas gebaut, 11.000 Scheiben verteilen sich auf die 56.000 qm große Fassade des pyramidenförmig gestalteten Gebäudes. In Sichtweite befindet sich „the Gherkin“ (die Essiggurke), eins der auffälligsten Gebäude in New Londons Skyline. Mich erinnert das Gebäude eher an eine Rakete aus Kindermalbüchern denn an eine Gurke. Egal, das Gebäude ist einzigartig auf der Welt und so konzipiert, dass es angeblich nur die Hälfte der Energie vergleichbarer Wolkenkratzer benötigt. Es ist der erigierte Angeberpenis der Londoner Finanzwelt, vergleichbar mit den Banktürmen in Frankfurt Main. Wer hat, der kann eben zeigen. 

Unser nächster Stop mit dem Hop on/hop off bringt uns zurück nach old London zu DEM Wahrzeichen der Stadt: Gong, Gong, Gong, Big Ben. Genau genommen der Queen Elisabeth II Tower. Nur die Glocke heißt Big Ben. Tip Top gepflegt und erst 2020 fertig restauriert erstrahlt er vor uns in seiner ganzen Pracht. Das Wetter meint es für englische Verhältnisse ausnahmsweise gut mit uns und taucht den Turm in warmes, gold schimmerndes Sonnenlicht. Was ein Anblick. Das angrenzende „Houses of Parliament“ (Parlamentsgebäude), scharf von schwer bewaffneter Polizei bewacht ist das schmucke Anhängsel am Queen Tower, unbedingt sehenswert. Da wir nur einen Tag in London haben, belassen wir es bei einer Besichtigung von aussen. Wir schlendern vorbei an Westminster Abbey (Westminster Abtei), die Kirche Englands. Sie gehört keiner Kirche an sondern ist eine Eigenkirche der britischen Monarchie. Traditionsgemäß wurden/werden hier die Könige und Königinnen Englands gekrönt. Aus Zeitmangel besichtigen wir auch sie nur von aussen. Einen kurzen Blick werfen wir noch auf das „London Eye“ (Auge von London). Im Jahr 2000 fertiggestellt sollte es eigentlich nur fünf Jahre in Betrieb bleiben. Auf Grund des großen Erfolges wurde das aber wieder verworfen und so dreht es noch heute tagtäglich seine Besucher einmal um seine Achse. Schön ist es nicht anzusehen, aber irgendwie doch ein Teil Londons. 

Es ist später Nachmittag und banaler Hunger meldet sich. So entern wir ein Restaurant mit asiatischem Streetfood und verdrücken Chop Suey aus dem Pappkarton. Lecker war es aber. Wir verpassen den letzten Heimbringer Hop on/hop off und laufen 50 min. zu Fuß zur „Underground“ (U-Bahn). Eineinhalb Stunden später zurück in Luton versuchen wir noch etwas zusammen zu sitzen und zu plaudern, sind aber alle irgendwie glücklich erschöpft und erlösen uns mit einem Sprung ins Bett. Was war das ein schöner Tag. 

Der kommende Tag beginnt für uns etwas später als die vergangenen zwei Tage. Einziger Termin, bis spätestens 11.00 Uhr müssen wir im „50nine“ zum Frühstück sein. Wir schaffen es gerade so. Ein schnuckliges, gemütliches Restaurant, an irgendeinem Donnerstag in irgendeiner Woche. Rammelvoll. Zum Glück hat Hanna einen Tisch für uns reserviert. Wer glaubt, Engländer hätten keine Esskultur der irrt gewaltig. „English Breakfast“ heisst dicke, weiße Bohnen in Tomatensoße, gedünsteter Spinat, gebratene Würstchen, gebratene Pilze, gegrillte Tomate, geschmorte Schinkenstreifen, Spiegelei, Kartoffelpuffer und Toast. Alles auf einem Teller, schön angerichtet dazu einen dampfenden „white flat“ (Milchkaffee). Dieses sehr spezielle Frühstück allein wäre für mich ein Grund, länger in England zu bleiben. Ich mag es gern deftig. Nach 2 Stunden haben wir alles verdrückt und uns vor Freude nochmal gedrückt. Wir besteigen den Zug nach Saint Albans, ein noch kleineres Städtchen im Speckgürtel Londons aber mit einer großen Geschichte und das typisch, englische Shitwetter erwartet uns. Eine der frühesten erhaltenen Ansiedlungen Englands, erstmals als Verulamium zu Zeiten des römischen Reiches erwähnt. Warum fahren wir hier her? Na wie es sich gehört, muss in fremden Ländern immer eine Kirche besucht werden und in St. Albans steht eine besonders beeindruckendes Exemplar davon. Hier wurde im Mittelalter der erste, christliche Märtyrer, der heilige Alban, seinerzeit ein römischer Soldat geköpft. In Folge wurde für ihn eine Kathedrale an diesem Ort erbaut, wodurch die Stadt zu einem Pilgerzentrum für das entstehende, britische Christentum wurde. Schon verrückt, hau jemandem die Rübe ab und er wird unsterblich. Zumindest in der christlichen Welt. 

Wir ergattern nach einem zweiten „white flat“ eine Führung mit Steven durch die Kathedrale. Sehr sympathischer Mann der ein feines, deutliches Oxfordenglisch spricht. Trotzdem verstehe ich nur ein Drittel, oder nur ein Viertel? Schade, schade, schade, aber am Ende bin ich selbst schuld. 

Errichtet als Langhaus im Jahre 1077 ist diese Kirche im Laufe von Jahrhunderten unter vielen unterschiedlichen kulturellen Epochen und persönlichen Einflüssen zu einem wahren Monument herangewachsen und gilt heute als die Wiege des britischen Christentums. Keine Ahnung, wieviele Äbte, Bischofs, Könige und Gärtner dort begraben sind. Sehenswert ist dieses Stück englische Geschichte aber auf jeden Fall. Zug zurück nach Luton, wir drücken uns und fallen im Stehen in den Schlaf. 

Der kommende Tag beginnt wieder sehr, sehr früh für uns. Aufstehen, etwas Wasser ins Gesicht, kurzes Minifrühstück und wir sitzen im Zug nach London Kings Cross, von dort ein kleines Stück mit der U-Bahn und da wartet unser todschicker Reisebus. Der fährt uns als erstes zum „Windsor Castle“ (Schloss und Wohnsitz des Teils der Königsfamilie, die nichts zu sagen hat). Bekannt eigentlich nur, weil Queen Elisabeth II dort aufgewachsen ist und gern, wenn es möglich war, dorthin zurück gekehrt ist, ins Landhaus ihrer Kindheit sozusagen. Schwer bewacht mit Sicherheitskontrolle wie am Flughafen betreten wir das Wochenendhaus der Königsfamilie. Ich weiß nicht, ob Wochenendhaus der richtige Ausdruck ist. Wir sehen ein riesiges, mondänes Schloss mit schier unglaublichen Ausmaßen. Geschmückt mit unermesslichen Reichtümern aus allen Epochen und Kulturen der Welt traut man sich kaum, etwas in Ruhe anzusehen. Wer hier aufwächst, muss zwangsläufig einen endlos tiefen Krater zum „echten Leben“ überwinden. Aber die Briten lieben ihre Monarchie und die ihr eigene Melancholie, die guten, alten Zeiten eben. Öffentlich zu besichtigen ist das „Wochenendhaus“ eigentlich nur, weil es 1992 fast abgebrannt wäre. Die Wiederherstellungskosten waren so hoch, dass selbst die monarchieversessenen Engländer meinten, Moment. So hat man über Eintrittsgelder im Buckingham Palace und im Windsor Castle gut 75 % der Sanierungskosten gedeckt. 

Wir fahren anschließend nach „Stonehenge“, neben London ein Muss in England. Wieder nur alte Steine, wie wir sie schon so oft in Griechenland gesehen haben aber wieder ist es die Geschichte, die diese Steine so interessant macht. Zum Glück sind die Engländer etwas realistischer als die Griechen und geben offen zu: „Wir wissen nichts“. Wir wissen nicht wer, wir wissen nicht wie und wir wissen nicht warum es Stonehenge gibt. Es gibt einige Theorien aber nichts, was sich wirklich belegen lässt. So besichtigen wir diesen von Sagen und Mythen umwaberten Ort mit vielen Fragezeichen, basteln uns unsere eigenen Theorien zusammen und sind einfach nur beeindruckt, von der Größe dieses, nennen wir es Wallfahrtsortes. Das drumherum ist Stand 2023. Ein super gebautes Besucherzentrum mit kleinem, interessanten Museum, einem 3D Kino in dem man sich die unstrittigen Fakten um Stonehenge um die Kopf wirbeln lässt, eine Snackbar, ein Souvenirshop in dem es bekloppte T-shirts zu kaufen gibt, zwei Klos. Basta. 

Weiter fährt unser Bus nach „Bath“ (Bad), so heißt die Stadt tatsächlich weil sich dort ein fast komplett erhaltenes „Freibad“ aus der Zeit des römischen Reiches befindet. Schon witzig zu sehen, wie gut es sich die Römer in ihren Glanzzeiten haben gehen lassen. Aufgebaut auf einer noch intakten Thermalquelle traf sich dort der Schmied mit dem Bäcker und der wiederum mit dem Stadtoberhaupt der in Begleitung des Kaisers dort badete. Soweit die Legende. Unstrittig ist aber, dass alle Besucher des Bades ihre kleinen und großen Verwünschungen gegen ihre Nachbarn in kleine Bleitäfelchen geritzt haben und in die heiße Quelle geworfen haben. Zu besichtigen in der sehr unterhaltsam gestalteten Ausstellung. Die zweite Runde der Suche nach dem Croissant für Hanna war leider wieder erfolglos. Überall gibt es nur Industriescheiß aber nicht DAS Croissant. 

Nach etwa 2 h 40 min. spuckt uns der Reisebus in London wieder aus. U-Bahn, Zug und einen 20 minütigen Fußmarsch später sind wir zurück in Luton, in Hannas WG. Wir treffen zwei ihrer Mitbewohnerinnen, schnattern noch ein bisschen soweit es die Sprachbarriere zulässt, eine piffen, Zähne putzen, Nachtü. Was wieder ein schöner Tag. 

Gefühlt mitten in der Nacht stehen wir am kommenden Tag auf und laufen zum Bahnhof Luton. Unser Zug geht diesmal mit kurzem Schienenersatzverkehr nach York. Schienenersatzverkehr klingt ja irgendwie anstrengend, klappt das alles? Die Bahn in England ist nicht so ein verknöchertes Monopolunternehmen wie die DB in old G. Die Bahn ist privatisiert und so bemüht sich jedes Unternehmen um seine Fahrgäste. Aussteigen, Schildchen hier, Schildchen dort, da steht unser Ersatzbus, freundliches Personal, klappt prima. Einzig der vor uns sitzende Jugendliche ist ein Paradebeispiel für proletenhafte Arschlöcher, die es leider überall auf der Welt gibt. Der schreit 15 min. in sein Telefon „fuck you, fuck you, i`ll fuck your mother“, raucht im Bus und riecht schlecht. Vollidiot. Um ihn anzusprechen fehlt mir aber ehrlich gesagt der Mut. Ich tröste mich damit, das ich nicht so gut englisch kann. Wie will ich ihm denn sagen, dass er ein Arschloch ist?

Wir erreichen York am zeitigen Nachmittag und machen uns auf den Weg vom Bahnhof zum von Hanna gebuchten Airbnb. Zwischendurch machen wir einen Stop in einem Burgerrestaurant. Keine Offenbarung aber satt. Hanna hat uns ein erstklassiges Haus mit Espressomaschine gebucht. Die wird auch sofort nach unserer Ankunft getestet und als gut befunden. Lecker. Nach einer mittleren Verschnaufpause  unternehmen wir einen ersten Spaziergang in die Stadt. Freunde, wir sind in Limburg a.d. Lahn oder in Quedlinburg. Altes Fachwerk soweit das Auge reicht, kleine Gässchen, schiefe Straßen, ein Hauch des Mittelalters weht um unsere Nase. Die Jagd nach dem Croissant geht in die dritte Runde.

Egal was wir uns ansehen wollen, zuerst gehen wir zur von Hanna als gut befundenen Bäckerei und sie holt sich dort DAS Croissant. Wie lange hat sie darauf gewartet, nun ist es greifbar. 35 Minuten Fußmarsch später stehen wir im Herzen Yorks vor der Bäckerei. Geschlossen. Ich sehe die klitzekleine Träne in Hannas Augen, sie hat sich so darauf gefreut. Okay, morgen ist auch noch ein Tag. Wir schlendern durch die Stadt und sind begeistert und genervt. Begeistert, weil die Stadt so viel zu bieten hat. Eine urtümliche Innenstadt, so erhalten wie sie eben schon immer war. Man kann es förmlich spüren wie es sich vor 800 Jahren angefühlt haben muss, wenn Witwe Molly ihren Nachttopf auf die Straße entleerte, während man gerade vorbei ging. Genervt weil wir wieder mal wieder alles richtig gemacht haben. Es ist Samstag, es ist Wochenende, es sind Ferien in UK. Entsprechend sind so unglaublich viele Leute in der Stadt, die alle dieses Schmuckstück erleben wollen.

Wir wollten am Abend ein Ale in einem typisch, englischen Pub trinken, aussichtslos. Die Stadt und ihre Pubs sind so überfüllt, da ist kein Platz mehr für ein paar unvorbereitete, deutsche Touris. Pech gehabt. Plan B heisst, wir kaufen uns irgendwo ein Guiness und besuchen die Lightshow am „York Minster“. Der Plan ging wenigstens auf. Und die installierte Light Show an der nach 250 Jahren Bauzeit im Jahre 1427 fertiggestellten „Saint Peter of York Cathedral“ war es allemal wert, gesehen zu werden. Sehr spektakulär, technisch brilliant, made in 2023. 

Dann überrascht uns das typisch, englische Wetter mit Nieselregen, Wind und Kälte. Wir trotten zurück in unser Airbnb und sind froh, als wir die Haustür hinter uns schließen können. Nass bis auf die Haut aber zufrieden. Noch ein Guiness aus dem Rucksack, wieder ein schöner Tag. 

Am nächsten Morgen machen wir uns auf die Suche nach einem guten Frühstück. Nee, nicht so schnell. Vorher suchen wir nochmals Hannas Bäckerei auf in der Hoffnung, DAS Croissant nun endlich zu ergattern. Wieder zu der Laden. Ach so ein Mist, ich würde, wenn ich könnte, dieses Croissant einfach backen, aber ich kann es nicht. Wir landen in einem polnischen Restaurant in der dritten Reihe. Die Innenstadt ist nach wie vor rammelvoll. Das Frühstück ist aber klasse. Ich habe viele gebratene Schinkenstreifen mit viel gekochtem Ei auf typisch, englischem, süßen Toast. Toast weg, der Rest war lecker. Die Mädels hatten auch irgendwas Gutes, denn ihre Augen leuchteten beim Verdrücken. Wir schlendern danach nochmal durch Yorks Innenstadt, freuen uns über die dem Malbuch entsprungenen Häuschen, die kleinen Gassen und weichen alle 3 Sekunden einem anderen Besucher der Stadt aus. Schön und anstrengend gleichzeitig. Gegen zeitigen Nachmittag betreten wir den „York Minster“, diesmal ohne Führung. Ohne Führung nicht, weil wir (Claudia und ich) nur wieder die Hälfte verstanden hätten sondern weil der Führende so leise spricht, dass wahrscheinlich niemand etwas verstanden hätte. Der „York Minster“ ist die größte mittelalterliche Kirche Englands und wirklich gewaltig anzusehen. Das Kirchlein ist 175 m lang und zwei seiner Türme erreichen eine stattliche Höhe von 65 m. 

Breit ist sie auch, sehr breit. Errichtet auf dem ehemaligen Hauptquartier eines römischen Legionskastells als Holzbau, wurde sie im Laufe der Jahrhunderte immer wieder durch Normannen, Wikinger oder Brände zerstört. Mühselig wieder und wieder aufgebaut, nur immer etwas größer. Wenn schon, denn schon. Ihre jetzige Größe erreichte die Kathedrale 1472 und hat seither noch weitere Brände und Blitzeinschläge wegstecken müssen. Heute wird sie dauerhaft saniert, eine Aufgabe, die wahrscheinlich niemals enden wird. Bekannt ist die Kirche nicht nur als die größte Englands, sie schmückt sich mit monumentalen Fenstern. Eins davon ist so groß wie ein Tennisfeld. So bummeln wir durch alle Quer-, Seiten-, Haupt- und Nebenschiffe und sind überrascht von der unterhalb der Kirche befindlichen Ausstellung, in der Reste des römischen Legionsgebäude ausgegraben und zugänglich gemacht wurden. Wer mal in York ist, ein Besuch dieses Monuments lohnt sich. 

Anschließend besuchen wir die noch nicht gesehenen Innenstadtteile der Stadt. Wir „latschen“ sozusagen durch die Stadt. Ich mag dieses „latschen“ nicht, dieses langsame, ziellose stolpern. Es protestieren meine Füße, meine Knien, mein Rücken und der Rest auch irgendwie. Wir sind erwachsen, ich teile das mit. Hanna und Claudia haben noch nicht die Lust am bummeln verloren und so gehe ich zurück in unser Airbnb, die beiden erkunden derweil noch die Stadtmauer und noch ein Gässchen, und noch eins ….  

Meine maximale Aufnahmefähigkeit England ist nach 5 Tagen „intensiv“ erstmal erreicht. Die beiden bringen auf ihrem Rückweg Sushi für das Abendessen mit. Köstlich. Auch wenn ich wollte, ich bin zu fertig um danach noch lange mit den beiden sitzen zum können. Sorry ihr Zwei. So verziehe ich mich zeitiger als gewohnt ins Bett, fünf Seiten lesen, oder waren es nur vier? Licht aus im erschöpften aber glücklichen Kopf von Thomas. Die beiden sitzen noch lange und ich fehle ihnen nicht. Gut so. 

Morgens geht es wieder zu Fuß Richtung Innenstadt. Heutiges Hauptziel: Hannas Croissant, oder besser die Bäckerei. 35 Minuten später der Lichtblick, die Bäckerei ist offen. Nun aber wird endlich DAS Prachtstück ergattert. Es war zum schmunzeln-heulen. Die Lieferung war an diesem, einen Tag nicht erfolgt. Teufelswerk. Puh, dann wird eben irgendein Minderwertiges irgendwo gekauft. Und aus Frust gleich noch eins. Armes Hanna. 

Wir begeben uns nochmal auf die Suche nach einem Frühstück und werden fündig in einem der unzähligen Cafés, diesmal in der zweiten Reihe. Es ist Montag und York gefühlt nur noch zu einem Viertel so voll wie in den beiden vergangenen Tagen. „English breakfast“ ist wieder meine Wahl. Hm, das ist genau mein Geschmack. Dennoch muss man eins sagen: wenn jemand auf der Welt gutes Brot und gute Würstchen machen kann, dann sind es die Deutschen. Wenn wir auch im weltweiten Wettlauf um Elektromobilität, Energie und Bildung anscheinend nicht mehr mithalten können, überleben können wir alles, mit unserem Brot und unseren Würstchen. 

Da am Nachmittag unser Zug zurück nach London fährt nehmen wir uns keine großen Besichtigungen mehr vor. Wir sehen uns gemeinsam nochmal einen Teil der alten Stadtmauer an, Hanna und Claudia stöbern in dem einen oder anderen Geschäft und schon schrillt die Trillerpfeife unseres Zuges zur Abfahrt. Gegessen wird im Zug, was die Bahnhofssnacks und die selbst gefüllte Brotdose so hergeben. Reicht. 

Wir erreichen Luton gegen 20.00 Uhr, müssen dann auch schon unsere sieben Sachen zusammenpacken da unser Flieger morgen zu einer unchristlichen Zeit abheben wird. Letztes Highlight, wir schlafen alle zusammen in Hannas Teil der WG da alle anderen Mitbewohnerinnen nun auch zurück aus ihren Ferien sind. Genau weiß ich es nicht, aber ich glaube, Hanna hatte während dieser Nacht mehrmals den latenten Wunsch, mich Schnarchnase zu meucheln. Sorry Hanna. 

Mit einem sehr langen Aufenthalt in Athen kommen wir gegen 20.00 Uhr wieder hier in der Kos Marina an, packen unsere Köfferchen aus und nicken uns zu. 

Hanna, das war großartig. Wir wissen sehr gut, wieviel unzählige Stunden du unermüdlich daran gesessen hast, diese Tage mit und für uns zu organisieren. Wer will was, was lohnt sich, ab wann wird’s doof, wie passt das alles in eine Woche? Jedes Zugticket war gebucht, jedes Permit online verfügbar, die Tage ausgefüllt und schön organisiert, vollgepackt mit klasse Ausflügen und Unterkünften, prima Ideen, gutem Essen und: das beste, das allerbeste bist schlichtweg du. Danke. 

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(1) Kommentar

  1. Heidi Richter

    Das hast Du wieder so toll geschrieben und ich habe mich wieder gefreut von euch zu hören, das ihr glücklich und zufrieden seid.
    Am Ende sind mir fast die Tränen gekommen. Mein Gefühl bei Hanna.
    Bei dem vorherigen Bericht ging es mir genauso. Da war mein Gefühl bei Claudia. Eine tolle Liebeserklärung für Sie.
    Ich grüße Euch Ihr Lieben 🥰

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