17.08.2022 vom Ionischen Meer in die Ägäis

Nach den herrlich unanstrengenden, ausgefüllten und wirklich schönen Tagen mit Hanna und Stefan (sie schreiben einen eigenen Beitrag darüber) lösen wir am 11.08.2022 gegen 14.00 Uhr unsere Leinen im Hafen Mandraki und laufen nochmals den im Süden gelegenen Ankerplatz (Claudias Rücken-Reha-Bucht) an, um einen Tag abzuwarten, ehe uns günstiger Wind Richtung Südosten bringt. Ich habe nun eine schöne Erinnerung an die Marina Mandraki, direkt unterhalb des alten Fortress von Korfu Stadt gelegen. Ein gemütlicher, hübsch anzusehender Hafen mit einer erstklassigen Taverne direkt im Hafengelände. Der Hafen hat zwar dringend viele Sanierungsarbeiten nötig, dennoch funktioniert alles. Am Ende entscheidet die Nachfrage über die Frequentierung des Hafens und die ist eben hoch. Der Hafenmeister dreht zweimal täglich seine Runde und fragt, ob alles in Ordnung ist, man kann direkt von der Kaimauer ins Wasser klettern um schwimmen zu gehen. Die Liegeplätze sind täglich ausgebucht, es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen was immer für ordentliches Hafenkino sorgt. Einzig die immer Dienstags stattfindende Live-Chanson-Session trübte unsere Tage (Dienstage) im Hafen. Hätten wir noch einen Dienstag dort verbracht, hätte ich Geld gesammelt und es der Künstlerin gegeben mit der Bitte, gar nicht erst anzufangen sondern nach Hause zu gehen. Keine Ahnung wer ihr eingeredet hat, sie solle Chansons singen. Sie sollte es lieber nicht machen.

Unser nächstes Ziel ist die Insel Kos, weit im Osten der Ägäis gelegen, ca. 410 Meilen (755 Km) entfernt. Wir würden uns normalerweise 4-6 Wochen mit vielen Stops für diese Strecke nehmen, haben aber nur 14-18 Tage Zeit. Wir wollen meinen Bruder und meine Schwägerin in Kos treffen, die dort Ende August eine Woche Urlaub machen. So haben wir uns dazu entschlossen, durch die Ägäis zu „hetzen“ um rechtzeitig die Insel Kos zu erreichen. Die Entscheidung war ganz einfach: die Ägäis läuft uns nicht weg aber mein Bruder Rainer und seine Frau Petra laufen uns weg. So werden wir im September den Weg zurücksegeln und all die großartigen Orte besuchen, die Griechenland dort zu bieten hat. Und wir werden die Insel Kreta dabei anlaufen, um hoffentlich Georgios (einen Freund) dort zu treffen.

Aber erstmal ins hier und jetzt zurück. Am Ankerplatz im Süden Korfus sind wir Abends mal wieder fällig. Eine gewaltige Unwetterfront schiebt sich unausweichlich auf uns zu, wir können sie schon von weitem sehen und hören, eine dunkle Ahnung am Horizont. Wir sind aufgeregt. Der von einen auf den anderen Moment aufziehende Wind begrüßt uns sofort mit Sturmstärke, 35+ Knoten, Donnergrollen, Blitze zucken krachend aus den Wolken, Regen peitscht uns wie aus einem Kärcher gepresst ins Gesicht. Es ist dunkel wie in der Nacht. Niemand traut sich jetzt reinzugehen, zu groß die Sorge (Angst) dass etwas passiert.

So stehen wir wie angewurzelt da, nass bis auf die Haut und starren in das blitzende Inferno. Nach 60 Minuten ist der Spuk vorbei und wir beruhigen uns wieder. Hätte ich gemäß der noch immer weit verbreiteten Faustformel nur die vierfache Wassertiefe an Kette am Anker gesteckt, wären wir davon geflogen. Wir schlafen in dieser Nacht nicht gut, ich bleibe oben im Salon auf dem „Sofa“ da für 06.00 Uhr ein zweites, noch größeres Gewitter voraus gesagt ist.

Wir haben Glück, denn es entscheidet sich für das Festland.

Der nächste Morgen empfängt uns, als wäre nichts gewesen, blauer Himmel, Sonnenschein, ab ins Wasser. Skeptischer Blick in die Wind- und Wettervorhersage, alles sieht gut aus. So geht um 09.00 Uhr der Anker auf und wir segeln unserem ersten Etappenziel, der Straße von Lefkas entgegen. Der Wind meint es gut mit uns, wir kommen mit 7 Knoten gut voran und so legen wir die 58 Meilen (106 km) in nur 10 h zurück. Das besondere an der Straße von Lefkas ist eine Autodrehbrücke, die jeweils zur vollen Stunde geöffnet wird. Wir kommen natürlich 10 Minuten nach der 17.00 Uhr Öffnung an und müssen nun 50 Minuten im Kreis fahren bis zur 18.00 Uhr Öffnung.

Die Straße von Lefkas führt vorbei an der gleichnamigen Marina, ein riesiges Meer von Masten, unzählige Motor- und Segelboote soweit das Auge reicht. Und wir sehen sehr viele Chartercrews bei der Bootsübernahme. Klar, heute ist Samstag, da beginnen für viele ein oder zwei Wochen Segelurlaub. Wir folgen der Straße von Lefkas bis zu deren Ende und biegen in die Bucht vor Varko ab. Gegen 19.30 Uhr fällt unser Anker und wir genießen die wirklich schöne Kulisse in dieser nicht überfüllten Bucht. Claudia macht uns Pilzrahm mit Wildreis, dazu ein Zisch (Bier mit Sprite), fein.

Ach da kommen noch zwei Yachten, und da noch eine und da noch zwei Kats und da noch zwei Boote und da noch ein Kat …. Klar, es ist Samstag, da beginnen für viele ein oder zwei Wochen Segelurlaub. Und wo sollen die guten Leute Abends noch hin? Logisch in die erste, erreichbare Ankerbucht, nur raus aus dem Hafen. So ist die anfangs nicht überfüllte Bucht binnen 1,5 Stunden rappelvoll mit fröhlichen, singenden, feiernden Urlaubsbeginnern. Am Ende zähle ich 47 Segelyachten.

Als wir am nächsten Morgen gegen 10.00 Uhr den Anker lichten sind die anderen Boote schon alle weg. Wir setzen Segel und nehmen Kurs auf Krioneri, ein unscheinbarer Miniort im Golf von Patras, 57 Meilen entfernt. Wind gut, Wetter gut, Laune gut. Wir laufen wieder mit 6-7 Knoten unserem Ziel entgegen, grandioser Anblick als wir es gegen 18.30 Uhr erblicken. Ein paar wenige Häuser am Fuße einer gewaltigen Felsformation leuchten in der Abendsonne. Wir finden schnell unseren Ankerplatz, wir sind allein. Weit und breit kein anderes Boot. Beiboot runter, Landfein angezogen und so setzen wir noch bei Tageslicht über in den kleinen Ort, der tatsächlich nur aus einer Handvoll Häusern und einem großen Strand besteht, gesäumt von einer offenen Taverne. Es sind erstaunlich viele Leute anzutreffen und wir fragen uns, wo die alle herkommen. Wir hören kein italienisch, kein spanisch, kein englisch, nur griechisch. Wir sind an einem Ort gelandet, wohin der Grieche mit dem Auto fährt um zu baden, zu sonnen und abends mit der Familie und Freunden zu essen. Großartig. Das Essen ist so Mittel aber wir haben schlichtweg Hunger. Es fällt eine Invasion von Mücken über den kleinen Ort her und wir werden bestens mit Räucherkerzen und Weinessig versorgt. Ja Weinessig, wussten wir vorher auch nicht. Man reibt sich damit ein und die Plagegeister halten Abstand. Funktioniert tadellos. Am Ende spendiert uns der Chef des Hauses nach etwas Smalltalk noch einen großen Ouzo, zurück aufs Boot, duschen, „Gute Nacht meine Geliebte“, Licht aus.

„Wollen wir hier nicht ein paar Tage bleiben?“ frage ich am nächsten Morgen. Ich kenne die Antwort ja selbst, wir haben noch 300 Meilen zu segeln. Also Anker hoch und weiter durch den Golf von Patras Richtung Osten. Wir durchqueren die „Rio-Andirrio-Brücke“ und erreichen den Golf von Korinth. Die Brückendurchfahrt ist vorher beim Tower anzumelden und man bekommt Instruktionen, wo genau man die Brücke zu passieren hat. Es gibt insgesamt fünf Durchfahrten. „Exactly in the middle of the central passage“ (genau in der Mitte der Hauptdurchfahrt) bekommt Claudia zur Antwort. Das hat sie klasse gemacht, Anruf des Towers, Schiffsdaten und voraussichtliche Durchfahrtszeit übermittelt, Instruktionen bekommen und 1 Meile vorher nochmal das endgültige „Go“ vom Tower eingeholt.

Wir sind nun im Golf von Korinth und freuen uns über Rückenwind, der heute mit bis zu 27 Knoten schiebt. So grinsen wir immer mal, wenn wir die 9 Knoten Speedmarke knacken und wir uns unserem nächsten Etappenziel, der Stadt Itea im Laufschritt nähern. Wir wollen die alte, von Mythen umwobene Stadt Delphi mit ihren vielen Schatzkammern, heiligen Säulen und dem Apollontempel besuchen. Sie ist eine der geschichtsträchtigsten Ausgrabungen Griechenlands, liegt praktisch auf dem Weg und wann hat man schon mal Gelegenheit, „DEM Orakel“ eine Frage zu stellen. So wollen wir den Hafen von Itea anlaufen, direkt unterhalb von Delphi. Viel Hoffnung, unangemeldet (heute ist Feiertag in Griechenland) mitten in der Hauptsaison einen Liegeplatz zum bekommen haben wir nicht, aber die Ankerbucht daneben sieht auch sehr geschützt aus. Wir biegen gegen 16.30 Uhr im Golf von Korinth links ab Richtung Itea. Der Wind geht von einen Moment auf den anderen schlafen. Gut, Segel runter, eine Maschine an. Etwa 10 Minuten später hat der Wind schon ausgeschlafen und meldet sich mit frischen 15 Knoten wieder, nur aus genau der anderen Richtung. Verrückt. Also Segel wieder hoch, den Jockel lassen wir an, sind es ja nur noch 25 Minuten bis zum Hafen. Wir können schon von weitem erkennen, der Hafen ist nicht voll. Verrückt. So machen wir längs an der „Gästepier“ fest und werden augenblicklich von zwei netten Engländern dabei unterstützt. Wir werden sofort darüber aufgeklärt, wo die beste Taverne, der günstigste Market ist und das beste Eis zu bekommen ist. Wir hüpfen kurz vor Freude über so viel Glück und einen so netten Empfang. Was ein großer und vor allem sehr sicher ausgebauter Hafen. Noch am selben Abend machen wir eine kurze Stipvisite in den eher schmucklosen Ort, wählen das falsche Restaurant, erstehen aber gleich die Bustickets, um morgen mit dem 10.45 Uhr Bus nach Delphi zu fahren.

Nach griechischer Pünktlichkeit besteigen wir am nächsten Tag den Bus nach Delphi. Claudia hat uns online die Eintrittstickets gebucht und so müssen wir nicht an der Kasse anstehen. Was macht Delphi aus? Laut der griechischen Sage ließ Zeus an den zwei Enden der Welt zwei Adler aufsteigen und der Ort, an dem sie sich trafen, war Delphi. Die Stelle wurde durch den „Nabel der Welt“ Stein im Apollon-Tempel gekennzeichnet. Und so sieht man es heute noch, Delphi ist der Nabel der Welt.

Apollon übertrug der Priesterin Pythia die Aufgabe, Orakelsprüche zu verkünden. Das Orakel führte letztendlich zu der großen Bedeutung Delphis in der Antike. Herrscher und Heerführer reisten nach Delphi, um sich die Zukunft voraussagen zu lassen. Das brachte Delphi den Status des größten politischen Zentrums seiner Zeit und gab ihr die Möglichkeit, die Geschichte durch Auslegung der Orakelsprüche insgeheim zu steuern. Delphi war auch alle vier Jahre Austragungsort der Pythischen Spiele. Heute zeugt das am besten in ganz Griechenland erhaltene Stadion von Delphi von den damaligen Wettkämpfen.

Manche glauben noch heute das wiederhallende Flüstern tausender Orakelsprüche zu hören, andere halten die Landschaft um Delphi für die schönste der Welt. Wir haben uns wirklich, wirklich angestrengt aber nicht ein einziges, leises Orakelflüstern vernommen. Die Landschaft ist wirklich schön, die schönste der Welt für uns aber nicht. Dennoch können wir sagen, dass eine gewisse Magie an diesem Ort allgegenwärtig ist. Vielleicht auch deshalb, weil wir das so wollen. Mit Sicherheit kann ich aber sagen, Freunde besucht Delphi, wenn ihr die Gelegenheit dazu habt. Es lohnt sich.

Stadion

Theater

Reste einer männlichen Skulptur

Wir sitzen Abends auf dem Boot und reden noch lange über diesen schönen Besuch, dieses wunderbaren Ortes.

Am kommenden Tag, also heute, machen wir schlichte Erledigungen. Müll wegbringen, ein paar Rostflecken auf dem Boot beseitigen (selbst Edelstahl rostet irgendwann), Vorräte beschaffen und so, ihr wisst schon. Claudia läuft ein paar Kilometer, ich schreibe. So verbringen wir unseren letzten Abend hier im Hafen von Itea,

um uns morgen auf den Weg nach Korinth zu machen. Mir fällt es zunehmend schwerer, einmal besuchte Ort wieder zu verlassen, das „Angekommen“ aufzugeben und wieder „Neuland“ zu betreten. Genau genommen wollen wir morgen die Straße von Korinth durchfahren und auf der Ostseite vor Anker gehen. Wenn alles klappt, besuchen wir übermorgen Korinth.

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