05.06.2022 Sardinien

Nachdem wir zwei Tage praktisch erstmal „Nichts“ gemacht haben unternehmen wir eine Wanderung zu den nahegelegenen „Nuraghe Palmavera“, wieder eine prähistorische Fundstätte. Ähnlich wie auf Menorca kann man sich auch hier die Reste der ersten Siedlungen ansehen. Und wir müssen sagen, die Nuraghes hatten es besser drauf als die Talayoten auf Menorca. Wieder sehr beeindruckend, dass man 1.200 Jahre v. Chr. solche Bauwerke geschaffen hat. Und wieder stellt sich uns die Frage, wie man das gemacht hat. Die Gebäude verfügten über sogenannte falsche Domdecken. Heisst, behauene Steine wurden solange kreisförmig und schräg übereinander gestapelt, bis sie sich in der Mitte treffen. Aber erst der letzte Stein gibt dem Stapel seinen Halt. Nur wie hat man diese Konstruktion bis zum letzten Stein abgestützt? Ich überlege bei solchen Dingen oft, wie ich es in Mildendorf gemacht hätte, hätte ich jemals ein Steinhaus benötigt, ca. 10 m hoch, aber ich komme offen gestanden zu keiner Lösung. Egal, irgendwie muss es ja funktioniert haben. 

…. das geschaffen.

Wir besuchen die nächst größere Stadt „Alghero“. Besondere Erwartungen an die Stadt haben wir nicht da sie sich kilometerlang an einem Sandstrand erstreckt und als Badeort gilt. Wir sind überrascht von der grandiosen Altstadt die sich uns als architektonischer Kulturmix präsentiert. Lange Zeit war die Stadt eine katalanische (spanische) Enklave bevor sie wieder sardisch (italienisch) wurde. So gibt es viele prachtvolle Gebäude aus der Zeit der katalanischen Gotik. Und die vielen kleinen Gassen sind mit aussergewöhnlicher Straßenbeleuchtung dekoriert. Quer über die Gassen sind beleuchtete Vogelkäfige oder bunt umnähte Fahrradfelgen aufgehangen, im Dunkeln bestimmt ein großartiger Anblick. Wir erlesen erst später, dass die Altstadt von Alghero als die schönste Sardiniens gilt und von ihren Bewohnern gern „ihr Barcelona“ genannt wird.  

Wir erleben die Stadt als sympathischen, quirligen Ort, bekannt für sein weltberühmtes Korallenhandwerk. Das sogenannte rote Gold, eine bestimmte Korallenart, ist seit der Antike als eine der „feinsten im ganzen Mittelmeerraum“ bekannt und wird vor allem wegen ihrer rubinroten Farbe geschätzt. So gibt es unzählige Kunstschmieden in denen der Korallenschmuck hergestellt und verkauft wird. Allerdings hat das in der Vergangenheit rücksichtslose Fischen der Korallen zu einer ökologischen Katastrophe an deren Bestand geführt. Heute ist das Korallenfischen stark reglementiert, hoffen wir, dass es sie auch in 200 Jahren noch gibt. 

Der Anblick der unzähligen Kunstschmieden, die diese Koralle verarbeiten hat auch einen unangenehmen Beigeschmack.

Claudia bekommt auch hier wieder ihre Kirche, die „Cattedrale di Santa Maria“ zu Gesicht. Witzig beim Besuch war die Tatsache, dass man Geld in einen Automaten werfen muss, damit die Kirche beleuchtet wird. Und wie Touristen nun mal so sind, wartete jeder darauf, dass es der andere macht. Am Ende blieb es dunkel. Wir hatten aber das Glück, mit dem „Restlicht“ eines anderen Besuchers die Kirche zu sehen. 

Der Rest der Stadt ist eben wie ein Touristenort, Hotels, bunte Läden, Restaurants, Bars, Strand soweit das Auge reicht, eben so lala aber bestimmt nicht schön.

Wir staunen nicht schlecht, als wir einen Automaten entdecken an dem man sich seine Portion Cannabis ziehen kann, 3 Gramm für 15 €, günstiger als in old G. Der Anbau, Besitz und Verkauf von kleinen Mengen Cannabissamen ist auf Sardinien legal. Geht doch. 

Die Einen ziehen sich eine Cola, die Anderen 3 Gramm Aufheller.

Der Mistral hat doch seine Fühler hierher ausgestreckt und uns 2 Tage Starkwind beschert. Wir ankern mit 50 m Kette, alles hält. Dennoch ist man immer mit einem Auge bei der elektronischen Ankerwache (überwacht einen definierten Kreis, aus dem sich das Boot nicht heraus bewegen darf). Wir liegen hier gut von vier Seiten geschützt. Ich nutze die Zeit, um unsere bereits aufgebaute aber noch nicht verdrahtete Solaranlagenerweiterung fertig zu stellen. Mich beunruhigt es immer, wenn etwas auf Anhieb funktioniert. Macht es aber nach einem Tag Arbeit. Hoffentlich auch noch in sechs Monaten.

Wir unternehmen eine Wanderung durch den „Parco di Porto Conte“, ein sehr schöner Naturpark mit der typischen Flora Sardiniens. Im Gegensatz zu den Balearen gibt es hier richtige Wälder, ähnlich wie wir sie in old G haben. Nur der Baumbestand ist natürlich ein anderer, vorwiegend Pinien, Kiefern, Korkeichen und …. Leider kostet der Eintritt in den Park schlaffe 16 € mit der Begründung, dass er mehrere Museen beherbergt. Macht er tatsächlich nur sind die Museen die Reste einer einst dort stationierten Infanterieeinheit aus dem WW2. Unterkünfte, Radarstationen ????? Aber der Ausblicken von hier aus entschädigt wieder. Uns hat der Park gefallen. 

Wir besuchen nochmals Alghero weil Thomas, schlau wie er ist, seine Badehose lose über die Reling zum Trocknen gehängt hat. Dass die nach 2 h nicht mehr da war ist selbstredend. Also brauche ich eine neue. Und wir wollen zu einem großen, deutschen Supermarkt um Kommissbrot (haltbares, leckeres Brot) zu kaufen. Da es manchmal sehr aufwändig ist, sich mit Lebensmitteln zu versorgen ist dieses Brot eine gute Möglichkeit über mehrere Tage autark an Bord zu bleiben. In Portugal und Spanien gab es dieses Brot, hier auf Sardinien leider nicht. Somit war der zweistündige Fußmarsch dorthin völlig umsonst. Wir entdecken aber noch Teile der alten Stadtmauer die sich direkt am Meer auf den Klippen befindet und in einem tadellosen Zustand ist. Nachbauten alter Kanonen verschaffen einen Eindruck davon, dass es schon vor 600 Jahren so ausgesehen hat wie heute. 

Uns hat die nette Besitzerin des „Tante Emma Ladens“ ganz in der Nähe geraten, unbedingt den sardischen „Liquore Mirto“ aus eigener Herstellung zu probieren. Ein Likör aus Myrthebeeren, welcher hier zu jedem Essen und jedem Anlass getrunken wird. Unglaublich lecker. 

Bis dahin wussten wir nicht einmal, dass die Myrthe Beeren hat. Dazu isst man „Copulette di Mandorle“, ein Gebäck mit kleingeraspelten Mandeln und Zuckerüberzug. Wenig lecker weil extrem süß aber ein Garant, korpulent zu werden. 

Wir haben unglaubliches Glück mit unserem Landfall hier in Porto Conte. Es gibt in Rufweite praktisch alles zu sehen und zu erleben, was Sardinien zu bieten hat: schroffe Felsen, türkisfarbenes Meer, Grotten, Nuraghes, Traumstrände, eine schöne (Alt-) Stadt, Wälder, riesige Olivenhaine, Wanderwege. Hat man die nähere Umgebung hier erkundet, hat man praktisch stellvertretend ganz Sardinien gesehen. 

Sardinien lebt nicht von spektakulären Highlights sondern von seiner schlichten Schönheit und seinen freundlichen Bewohnern. Auf uns wirkt die Insel, nennen wir es unverdorben und so ursprünglich wie möglich. 

Heute war allerdings ein rabenschwarzer Tag. Ab 02.00 Uhr fegten hier Sturmböen mit weit mehr als 30 Kn durch die Bucht. Man sagt, das Boot weckt einen und das stimmt. Der Lärm war ohrenbetäubend, die Vibrationen und das heulende Gekreische so beängstigend, dass wir beide fast zeitgleich im Bett saßen. Kurzer Blick, dann raus, nachsehen ob alles so ist, wie es sein soll. War es zum Glück. Der Wind pfiff uns um die Ohren, „Kaimiloa“ zerrte an ihrer Ankerkette wie ein tollwütiger Hund, der den Postboten erwischen will aber wir standen fest. Nach 30 Minuten war der Spuk vorbei und der Wind verschwand wieder. Bis 05.00 Uhr, dann machte er seine nächste Aufführung. Kleffen, fauchen, lärmend um wieder nach 30 Minuten zu verschwinden. 11.00 Uhr das nächste Schauspiel, 14.30 Uhr der vierte Akt der Aufführung. Beim vieren Akt konnten wir zusehen, wie ein neben uns ankerndes Segelboot aussieht, wenn der Anker nicht mehr hält. Zum Glück gab es viel Platz nach hinten, so dass der Anker irgendwann wieder griff und man vorsichtshalber etwas mehr Kette steckte. 

Und wir waren heute leider unangemeldet von unfreundlichen Meeresbewohnern umzingelt. Dass die Begegnung mit ihnen seeeehr schmerzhaft ist, musste ich leider erfühlen, da ich es vorher nicht wusste. Je Kubikmeter Wasser tummelten sich geschätzt 5 Kompassquallen um uns. Danke du heute sehr unfreundliches Mittelmeer. 

Manche hinterlassen Fingerabdrücke, Kompassquallen hinterlassen Körperabdrücke. Autsch.

Der ungemütliche Wind bleibt uns auch die kommenden Tage erhalten und hört wieder auf den Namen Mistral. Wir wollten ohnehin noch ein paar Höhlen besuchen und ein paar Flaschen „Liquore Mirto“ für später kaufen. Also bleiben wir noch hier.

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