04.05.2022 Die Kunst des Ankerns

Hatten wir über die Kunst des Ankerns gesprochen? Haben wir. Und so hatten wir zwei Tage nach unserer Ankunft hier in Menorca eine äußerst unschöne Begegnung mit einem funkelnagelneuen Neel 43 (Trimaran). Das Boot ankerte einen Tag nach und hinter uns, aber so dicht, dass es immer ein ungutes Gefühl war, zu ihm hinüber zu sehen. Die Erscheinung ist schon imposant, eine für meinen Geschmack gelungene Symbiose, ein geglückter Versuch, die Vorteile eines Trimarans und eines Katamarans zu verschmelzen und ein „Raumschiff“ zu kreiren. 

Nur leider kam er uns am zeitigen Abend immer näher und das mit zunehmender Geschwindigkeit. Oh Schreck, da ist nichts mehr aufzuhalten. Aber wieso kommt er immer näher auf uns zu? Im Cockpit steht niemand, Motorengeräusche sind auch nicht zu hören. Er ankerte doch ganz klar hinter uns? Und wieso sind die anderen beiden Boote, welch auch hinter uns ankerten plötzlich neben uns? Ooohhh sch…., nicht der Trimaran kommt auf uns zu, sondern wir treiben auf den Neel zu. Im selben Moment, als wir das begriffen hatten, sprangen wir beide aus dem bis dahin so anheimelnd friedlichen Cockpit und wollten nur noch die drohende Katastrophe abwenden. Wie auf einer Perlenschnur aufgefädelt näherten wir uns rückwärts bis auf 1,5 m, 80 cm, 50 cm, 25 cm, zu spät. Der rechte Ausleger des Trimarans rutscht auf unser rechtes Heck. Im selben Moment tauchten auch die Bewohner des Trimarans mit erstaunlicher Ruhe und zwei Fendern (die bunten Gummiballons an den Seiten von Booten) auf. Kurzer Blickwechsel (Franzosen sprechen kein Englisch) und allen war bewusst, dass da noch viel zu retten ist. Es gab nur eine Berührung des rechten Auslegers mit unserem rechten Heck, die Schramme haben wir abbekommen, der Tri ist unversehrt. Zum Glück hat sich unser linkes Ruder in seiner Ankerleine verfangen und hält beide Boote auf Abstand. Ich springe in gefühlten 0,4 Sek. in meinen Neoprenanzug und hüpfe ins Wasser, Claudia jongliert wie ein Zirkusakrobat mit 2 Federn gleichzeitig und sichert somit etwaige Berührungspunkte zum Tri und zum Nachbarboot. Der Skipper des dritten, hinter uns ankernden Bootes war nun auch mit seinem Dingi da, um im Ernstfall „Schiebehilfe“ leisten zu können. 

Zwei Versuche, uns von der Ankerleine zu befreien scheitern, die gibt keine 5 mm nach. Irgendwie auch logisch, denn die angekündigte Sturmfront drückte mittlerweile mit 24 Kn von vorn. „You must cut the rope, cut it“ rief ich dem Skipper zu und im selben Moment blitzte auch schon ein Messer in seiner Hand. Schlauer Kerl oder sprechen Franzosen doch Englisch? „Cut“ und wir waren wieder frei und machten erstmal mit beiden Maschinen Abstand zum Franzosen. 

Luft holen, sortieren. Helfen können wir der Crew des Trimaran im Moment nicht, wir treiben selbst recht unkontrolliert durch die Bucht, der Wind schiebt uns fröhlich hin und her wie es ihm beliebt. Alles auf Anfang und von Vorn: gegen den Wind anlaufen, geeignete Stelle mit genügend Abstand zum Land und zu anderen Booten suchen, Anker ab, Ankerball setzen, 45 m auslaufen lassen, Hahnepot einbinden, nochmal 5 m Kette ab und dann sich vom Wind ausrichten lassen und den Anker mit beiden Maschinen im Rückwärtsgang eingraben. So die Theorie. Wir brauchten 5 oder 6 Versuche, ehe der Anker angebissen hatte und sich nicht mehr vom Fleck rührte. 

Der Tri hatte sich auch nochmal neu festgemacht, etwa 100 m links von uns, brauchte aber auch mehrere Versuche ehe sein Eisen fest war. 

Wir hatten 2 Tage mit 40 m Kette sicher gelegen,  mit beiden Maschinen eingefahren. Verrückte Welt. Nun gibt es wieder viele Theorien, was denn da passiert ist. Am wahrscheinlichsten erscheint es uns, dass der Anker an einem Stein und nicht im Grund fest saß und sich mit zunehmendem Wind dort gelöst oder den Stein weggerollt hat. Wir werden es nie erfahren. 

Was uns im Nachhinein aber wieder beide beruhigt hat war die Tatsache, dass kein wirklicher Stress aufkam, alles wirkte überlegt und jeder wusste, was zu tun ist. Und wir hatten es mit entspannten Franzosen zu tun. Großartig. 

Einzig der Umstand, dass ich die 5 oder 6 Ankerversuche im nassen Neoprenanzug am Steuer stand und am Ende schlotterte wie ein Rohrschneider, das viel mir erst am Ende auf. Und, dass Claudia einen erstklassigen Job gemacht hat. 

*Thomas*

Abgesehen von den mal wieder besonderen Rahmenbedingungen, Sturm in der Ankerbucht mit bis zu 38kn Wind in Boen, einem driftenden Anker mit einer glimpflichen Kollision und einer darauf folgend schlaflosen Nacht ist diese Ankerbucht einfach gut fürs Auge und für die Seele. Kleine Hügel mit schroffen Felsen an die sich kleine Büsche schmiegen, die Anlagen der Festung auf den Kuppen der Hügel mit Türmen und Mauern und das Hören der Brandung der gerade sehr rauen See aus der gegenüberliegenden Bucht, nicht einmal 500m entfernt.

*Claudia*

Nun liegen wir an 50 m Kette sicher in der Bucht und freuen uns endlich auf Menorca

Vielleicht interessiert dich auch…

(2) Kommentare

  1. Sandra

    Wow, was für eine wunderschöne Bucht ihr Lieben. Wenn auch wieder jede Menge Abenteuer, klingt das alles ganz wunderbar! Freue mich schon auf den nächsten Beitrag.

  2. Fabian

    Muss eigentlich ins Bett aber der Blog ist viel zu spannend 😀

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.