01.04.2022 westliches Mittelmeer

Nachdem wir die Straße von Gibraltar ganz still und ohne Tamtam passiert haben, eröffnet sich uns das Mittelmeer von seiner besten Seite. Strahlender Sonnenschein aus Richtung Osten wo wir hinwollen. Es weht eine steife Briese aus Westen, woher wir gerade gekommen sind und schiebt uns mit 8-9 Knoten voran. Die Wellen sind knackig, dadurch dass wir sie aber von hinten haben beginnen wir wieder teilweise zu surfen.

In die andere Richtung unvorstellbar. Gegen 3 m hohe Wellen und 25 Knoten steifen Wind zu segeln geht, ist etwas aber eher was für Leute, die damit ihr Geld verdienen wie unser deutscher Profisegler Boris Hermann. Tourensegler wie wir würden solche Törns nur unfreiwillig segeln. 

Müdigkeit macht sich bemerkbar und wir entscheiden uns, dass Claudia als Erste schlafen geht. Besser versucht schlafen zu gehen. Die Auf- und Abbewegungen des Bootes und das teilweise harte Aufschlagen mancher Wellen, die schlichtweg nicht zwischen die Rümpfe passen erzeugen irgendwie kein wirkliches Schlafklima. Also steht sie nach 20 min. wieder mit mir im Cockpit, reibt sich die Augen und bleibt wach. Wir rauschen mit teilweise 13 Knoten (für einen Tourenkat ist das recht flink) Richtung Osten. Unser nächster Wegpunkt, Gabo de Gata (die erste Linkskurve im Mittelmeer) ist 164 NM entfernt und bis dahin wird es mindestens 24 h brauchen. Wenn der Wind uns so erhalten bleibt. 

Wir sehen vereinzelt Gruppen von Delfinen mit dem Boot schwimmen aber immer so kurz und flüchtig, dass weder ein Foto noch ein entspannter Blick auf die Tiere möglich ist. Die werden sich sicherlich auch denken: Herrgott, schon wieder diese komischen Zweibeiner auf zwei schwimmenden Beinen. 

Trotzdem die Bedingungen gut sind bleibt immer eine gewisse Angespanntheit allgegenwärtig. Ich würde lügen, wenn ich erzähle, dass ich im Liegestuhl der Sonne winke und einen Cocktail schlürfe. Man hält ständig Ausschau. Wonach eigentlich? Es ist weit und breit kein anderes Schiff zu sehen und daran ändert sich auch in den folgenden 20-30 min nichts. Trotzdem ist man immer am nachsehen, ob man doch etwas übersehen hat. Ich denke das liegt daran, dass wir noch viel zu sehr Landratten sind und unsere Seebeine gerade erstmal angefangen haben zu wachsen. 

Zwischenzeitlich hat Claudia einen ausgewachsenen Orca neben uns schwimmen sehen und hüpft vor Freude. Obwohl ihr der erste Blick ein mulmiges Gefühl bescherte, überwiegt am Ende die Freude. Das mulmige Gefühl kommt daher, da es seit 2020 massive Angriffe von Gruppen von Orcas auf vorwiegend Segelschiffe gab, die sich in 2021 noch gesteigert haben. Und das in exakt der Region, in der wir gerade unterwegs sind. Niemand weiß, warum die Tiere die Ruder und Schwerter von Segelbooten angreifen und meist zerstören. Aber sie tun es. Wen das interessiert :

Mit Einbruch der Dunkelheit kommt auch schlagartig die Kälte. Also Skihose und Jacke an, Mütze und Handschuhe bereitgelegt und ab geht es in die Nacht. Der Wind bläst nach wie vor mit 25-30 Knoten aus West, die Wellen sind nach wie vor knackig. Gegen 02.00 Uhr, ich war gerade weggedöselt kommt Claudia rein und meint, der Wind sei nun weg und das Segel hängt nur noch wie ein Laken herum. Also was soll es, wir wollen weiter Richtung Osten und Land ist zu weit weg um die Nacht vor Anker zu verbringen. Ich starte eine Maschine und wir werden motoren bis der Wind wieder ausgeschlafen hat. Aber Moment mal, da ist er ja schon wieder nur genau aus der anderen Richtung.16 Knoten, 18 Knoten, 23 Knoten … Was ist das jetzt wieder? Der Wind hat sich binnen 30 min. einmal um seine Achse gedreht und weht nun aus genau der anderen Richtung als noch vor einem Augenblick und nimmt zu. Shit, das wird Mist (oben habe ich das Segeln gegen den Wind erwähnt) Was nu? Zurücksegeln? Nee, auf keinen Fall, dann lieber Richtung Land und abwarten. Noch habe ich den Gedanken nicht zu Ende gedacht ist er wider da, der Storch im Salat. Jeder kann sich vorstellen was passiert, wenn ein starker Wind plötzlich gegen eine sich stark aufgebaute Welle schiebt. Jeder der Beiden will Gewinner sein und dem anderen seinen Willen aufzwingen und keiner der beiden will nachgeben. Das Ende ist der sprichwörtlich brodelnde Hexenkessel. Kaimiloa hüpft von eine Seite auf die andere, kommen die Wellen nun nicht nur von der Seite sondern von vorn und von hinten auch noch und alles ohne Muster. Es fliegt mal wieder  alles durchs Boot was nicht fest ist, inklusive uns. Es gibt ja die Weisheit: Eine Hand für dich, die andere fürs Boot. Stimmt, ist aber nur die halbe Wahrheit. Manchmal zwei Hände für dich und den Ar…. fest an die Wand gedrückt. Sonst liegt du augenblicklich auf dem Hosenboden. 

Wir müssen unbedingt weg hier aber das Land ist soooooo weit weg. Hilft nichts, nach ein paar Versuchen habe ich den Bogen raus. Ganz langsam mit beiden Maschinen Richtung Land, langsam, sonst tauchen wir vorn ständig ein. So kämpft sich Boot und Crew mit 1,5 kn Richtung Festland. Das kann ja was werden. Wir haben irgendwann Handyempfang und mein Freund Micha aus Dessau, immer etwas besorgt um uns ,ruft an um sich nach uns zu erkundigen. Ich schildere ihm die Situation und schwuppdiwupp hat er den nächstgelegenen Hafen für uns rausgefunden. Ich hatte in der ganzen Aufregung einen Hafen in Fahrtrichtung herausgesucht als nach dem kürzesten Weg zu entscheiden. Also werden aus 6 h Holperfahrt nur 1,5 Stunden. Manchmal steht man sich selbst im Weg. Juhu, ich kann ihn schon sehen. Flugs angerufen ob ein Kat reinpasst und der Hafenmeister antwortet mir in deuchtsch: ..“ja, kommen Sie, wir haben Platz für Katamaran“…. Woher weiß der gute Mann, dass ich deutsch spreche, habe ich ihn doch in englisch angesprochen? Länderkennung +49 vom Handy. Schlauer und am Ende sehr netter Kerl. So laufen wir nach kurzer Achterbahnfahrt in den gut geschützen Hafen von Almerimar ein. Was ein Unterschied. Wir in Vollzeug wo nur noch Augen und Nase rausgucken, der Hafenmeister winkt uns im T-Shirt. Draußen kocht und brodelt es, hier im Hafen weht nichtmal ein Lüftchen. Wir sind plötzlich im spanischen Frühling. Und hier müssen wir auch vier Tage bleiben, da der Wind sich nicht nur gedreht hat sondern auch auf 45 Kn zunimmt.

Gut vertäut liegen wir im Hafen von Almerimar

Das ist ein ausgewachsener Sturm Stärke 9. Aber wir wollten ja ohnehin noch irgendwann die Miniwaschmaschine einbauen. 

Windstärke 9 aus Nordost, genau die Richtung in die wir wollen.

So genießen wir unsere vier Tage „Zwangspause“ und werden laut Wetterbericht am Mittwoch, den 06.04.2002 wieder auslaufen können.

Vielleicht interessiert dich auch…

(1) Kommentar

  1. Fabian

    Super spannend!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.