29.03.2022 Wir laufen aus

Heute ist es soweit, wir laufen endlich aus. Am Vormittag fahren wir nochmal kurz mit dem Beiboot zur Werft und holen die gelieferte WIFI Antenne und unsere Miniwaschmaschine ab. Na hoppla, so Mini ist die gar nicht. Egal, ab ins Beiboot und zurück zum Boot. Nochmal checken, ob auch alles sicher und fest verstaut ist und dann Anker auf. Um 12.45 Uhr verlassen wir bei Westwind mit 4-5 Bft. (Beaufort, 12-teilige Einheit für die Windstärke, ab 8 Bft. sind die Hosen voll) die Ankerbucht von Portimao und nehmen Kurs auf die Straße von Gibraltar. Vor uns liegen 542 NM (nautische Meilen, 1.004 km), also einmal von Dessau nach Kroatien. Kurz nach dem Auslaufen setzen wir das Großsegel (das Segel hinter dem Mast) im ersten Reff und anschließend unsere Genua 3 (das Segel vor dem Mast) und erteilen Heidrun die Erlaubnis, uns zu unterstützen. Mit 7-8 Knoten segeln wir nun raumschots (Schiebewind, Rückenwind) Richtung Gibraltar, stellen aber bald fest, dass das Großsegel die Genua so sehr abdeckt, dass sie in seinem Windschatten in sich zusammenfällt. Ein Segel muss somit weg. Ich entscheide mich, das Vorsegel stehen zu lassen, auch wenn das Großsegel uns vielleicht etwas mehr Schub verleihen würde. Das Großsegel ist im Handling einfach um ein vielfaches schwieriger zu bändigen als das Vorsegel. Entscheidung also für das Kätzchen gegen den Löwen. Es wird allmählich dunkel und die Gewissheit, nachts ein leicht zu händelndes Segel zu fahren beruhigt schon. So segeln wir immer noch mit 5-6 Knoten dem Sonnenuntergang davon. Ein Gemisch aus Neugier und Anspannung, zögerlicher Freude und Unruhe lässt uns in unsere erste Nacht segeln.

Unser erster Sonnenuntergang auf See

Nach Einbruch der Dunkelheit holen wir alles an warmen Sachen aus dem Fundus, was wir mithaben. Ist schon erstaunlich, wie sehr sich die Tag- und Nachttemperaturen unterscheiden. Naja, ist ja aber auch gerade mal Frühlingsanfang und der findet fühlbar eher im Schrebergarten und nicht auf dem Meer statt. Der Wind nimmt allmählich auf 6 Bft. zu, wir werden somit schneller und machen nun wieder 7-8 Knoten Fahrt. Besser geht es nicht. Die Sterne begleiten uns, jeder liegt auf einer Seite des Cockpits mit einer Tasse Tee in der Hand, schaut in den Sternenhimmel und hängt seinen Gedanken nach. Dennoch ist eine gewisse Unruhe allgegenwärtig. Ständig schaut man nach vorn um nichts zu sehen, aufs Radar um auch dort nichts zu sehen, gleicht den Kurs nochmal ab um festzustellen, dass es nicht notwendig ist. Es wird wohl noch einige Seemeilen brauchen am Tag und in der Nacht, ehe uns richtige Seebeine gewachsen sind. Aber wir wissen alle, wenn wir heute nicht loslaufen, kommen wir morgen nicht an. Somit machen wir hier unsere ersten Schritte auf dem Weg, ein Captain*in Morgan zu werden.

Gegen 01.00 Uhr ändert unser Boot im Laufe nur eines Augenblickes seine Richtung um ca. 60 Grad und das Segel steht sofort back (auf der falschen Seite) und schiebt noch weiter in die neue, falsche Richtung. Was war das denn? Was ist jetzt? Niemand hat am Ruder gedreht, Heidrun hat bis eben tadellos gesteuert und neigt ihre Fahne nun bedrohlich tief nach Lee (die dem Wind abgewandte Seite). Was stimmt hier nicht? Noch ehe der letzte Gedanke ….. gibt es einen lauten Knall und das Ruder von Heidrun bricht ab. Krawumms. Wir stehen beide völlig geschockt da und sehen uns fragend an, was geschieht hier gerade? Als erstes starte ich einen der Motoren um das Schiff wieder in den richtigen Winkel zum Wind zu fahren. Dumm nur, dass ich am Steuerrad drehen kann so viel ich will, Kaimiloa bleibt auf ihrem eigenem, selbstbestimmten Kurs. Noch mehr Ruderlage und das Boot fängt an, Sechsen und Achten zu fahren, egal in welche Richtung ich lenke. Dann den zweiten Motor gestartet und mittels Panzerfahrtechnik das Boot erstmal ausgerichtet. Segel weggenommen (Gottseidank war es das leicht zu bändigende Kätzchen), Ruder nach Gefühl gerade gestellt, beide Motoren leichte Fahrt voraus und erstmal hinsetzen, durchatmen, anfangen zu begreifen was hier gerade vor sich ging. Piffe an, bei mir hilft das. Was haben wir: das Boot hat sich eigenständig gedreht, das Ruder von Heidrun ist mit einem lauten Knall abgebrochen, die beiden anderen Ruder scheinen nicht mehr zu funktionieren, völlig irre. Eine Piffe später eine erste Idee: wenn man alles zu einem schlüssigen Bild zusammen fügt, dann hat uns etwas an den dafür anfälligen Stellen am Unterwasserschiff festgehalten. Dazu zählen die Propeller und die Ruder. Wir kennen alle die Gruselgeschichten von Schiffskollisionen mit Baumstämmen, schlafenden Walen und treibenden Containern, welche ihr Frachtschiff eigenmächtig verlassen haben. Es gab aber keinen harten Aufprall, nur eine abrupte Drehung und den Bruch des Ruders von Heidrun. Also war es etwas Weiches. Was nun machen? Der von innen mögliche Check der Ruderanlage ergab nichts Auffälliges. Alles sieht so aus wie es soll und das Schiff ist zum Glück dicht. Der zweite Versuch, das Boot mit beiden Maschinen und dem Steuerrad zu lenken scheitert ebenfalls. Es beharrt auf seinem Willen, eigenständige Muster durchs Wasser zu fahren. Nachts manövrierunfähig unter Segel als auch unter Motor auf dem Atlantik, heißt ein klares K.O. für Claudia, mich und Kaimiloa und für jeden anderen, dem so etwas passiert. Und das am ersten Tag.

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(2) Kommentare

  1. Rainer Hohlbein

    Ich hoffe nur für euch es bleibt dir einzige
    Pleite für Euch.👍🏿👍🏿 Denn nie vergessen
    ,Wasser hat keine Balken‘

  2. Heidi Richter

    Hallo Ihr Lieben,
    ich lese voller Spannung und Sorge Eure Story.
    Oweiha, ich hoffe ihr findet einen Weg, weiter den Mut und die Kraft zu finden die Ihr Euer Abenteuer braucht. Ich drücke ganz fest die Daumen, dass alles gut wird und ihr unbeschwert weiter segeln könnt.

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