06.04.2022 Baleareninsel Ibiza

Am 06.04.2022 laufen wir um 08.10 Uhr bei wenig Wind, immer noch aus Richtung Osten kommend, unter Maschine aus dem Hafen von Almerimar aus. Im Laufe des Tages soll der Wind allmählich auf Südwesten drehen. Vor uns liegen die letzten 199 Meilen (368 km) die wir hoffen, in 36-40 Stunden zu schaffen. Heißt einen Tag, eine Nacht und noch einen langen Tag bis in die Nacht. Als der Wind sich tatsächlich nach etwa 7 h aus einer für uns segelbaren Richtung zeigt, wollen wir das Großsegel setzen. Entsetzt muss ich allerdings feststellen, dass sich das Großfall (das Seil, mit dem man das Großsegel am Mast empor zieht) an etwa 4 Stellen so sehr mit den Maststufen verheddert hat, dass es sich keinen Zentimeter bewegen lässt. Das muss bei dem Sturm die vergangenen Tage passiert sein. Höfel du Trottel, so etwas checkt man vorher. Jetzt auf See kann und will ich nicht in den Mast klettern, um das Gewusel zu entwirren. Da die Maschine ohnehin noch läuft entscheide ich, dass unser Großsegel jetzt 2.700 U/min heißt und wir setzen nur das Vorsegel. Wir kommen mit 6 Kn nicht so schnell voran wie erhofft, da der Wind nur mit 10-15 Kn weht. Nach Wetterbericht soll er aber noch auffrischen.

Wieder segeln wir in eine Nacht.

So erreichen wir Cartagena (ein Wegpunkt) erst tief in der Nacht und später als erhofft. Ab hier wird es etwas chaotisch. Plötzlich sind etwa 6-8 Schiffe in 4-6 Meilen Entfernung auf dem Radar und mit dem bloßen Auge zu erkennen. Bis dahin erstmal nichts dramatisches. Schlimm ist, dass es um die Schiffe herum überall blitzt und blinkert. Fischer, welche wahrscheinlich Thunfischnetze (die reichen bis zur Wasseroberfläche) ausgebracht haben und deren Anfang und Ende sind mit einem Blitzlicht ausgestattet. Dumm ist nur, dass ausser den Fischern niemand weiß, welches der Lichter das eine Ende und welches der Lichter das andere Ende des Netzes ist. Wo kann man also hindurch fahren? Schier unmöglich zu erkennen. Also machen wir einen Bogen von ca. 5 Meilen um diese nächtliche Veranstaltung, was gute 2 Stunden dauert. Egal, wir sind nicht auf der Flucht. Warum segelt man eigentlich Nachts? Ich glaube zum einen, weil man einfach 60 bis 80 Meilen weiter kommt, als wenn man in der Ankerbucht bis zum Morgen liegt. Zum anderen hat es etwas unglaublich friedliches (solange die Bedingungen passen). Man lässt seine Gedanken dahinziehen, hin und wieder sieht man eine Sternschnuppe bei ihrem Sturzflug durch den Sternenhimmel, welcher auf See mangels Lichtsmog besonders intensiv erscheint. Ich empfinde diese Stimmung Nachts auf See als etwas ganz besonderes, auch wenn man konzentriert zwischen Radar und Navi und Kühlschrank pendelt. Wir haben für uns herausgefunden, dass ein Tag, eine Nacht und ein weiterer Tag die richtige Dosis segeln ist. Konditionell gut zu bewältigen, hat niemand das Gefühl endlich ankommen zu müssen. Eine weitere Nacht zehrt dann schon an den Kräften und Nerven, da Müdigkeit ein vordergründiger Aspekt wird. Wir haben unseren Flow mit dem Schlafen beim Nachtsegeln noch nicht gefunden, so dass wir beide praktisch wach sind.

Unter besten Bedingungen nähern wir uns dem ersten Ziel unserer Reise.

Obwohl der Abstand zum spanischen Festland ab Cartagena immer größer wird bleibt die Küste für uns immer sichtbar. Das ändert sich erst am Spätnachmittag des 07.04., als Ibiza in Sichtweite kommt. Ein riesiger Felsbrocken taucht am Horizont auf, grad so als hätte ihn dort jemand fallen lassen mitten im Meer. Das erstes Ziel unserer Reise ist nun zum Greifen nahe. Der Wind frischt wieder auf und wir freuen uns, dass wir nochmal die 12 Kn auf unserer Logge (Geschwindigkeitsmesser) sehen. Allerdings bringt der Wind auch Wellen mit, Wellen, die wir so bisher noch nicht gesehen haben. Wie schwarzblaue Wände nähern sie sich fauchend von schräg hinten, packen unser Boot und zerren an ihm, so dass wir uns teilweise um 40 Grad drehen. Der Autopilot ist kaum noch dazu in der Lage das auszusteuern. Setzen wir unseren Kurs so, dass wir die Wellen mehr achterlich (von hinten) bekommen, dann rauschen wir an Ibiza vorbei. Ich starte die rechte Maschine und lasse sie schiebend mithelfen, so dass der Autopilot einen neuen Verbündeten hat. Das funktioniert gut und unsere Dreher werden merklich geringer. Da wir uns von Südwesten aus Ibiza nähern und nach Ibiza Stadt wollen, müssen wir zwischen Formentera und Ibiza hindurch segeln. Je näher wir dem Nadelöhr kommen, umso größer, wuchtiger und bedrohlicher werden die Wellen. Die Durchfahrt zwischen beiden Inseln ist nur etwa 1,3 Meilen breit und genau in ihrer Mitte thronen 3 weitere, kleine Inseln. Es scheint so, als entsteht davor ein Stau für die Wellen, so dass sie sich überlagern und an Höhe zunehmen. Will ja jede von ihnen irgendwie da durch. Wir erreichen die Passage nach Sonnenuntergang und sind wirklich erleichtert, als wir sie durchquert haben und nun nördlicher fahren können, weg von der offenen, schlecht gelaunten See. Alle unseren Anfragen, ob wir in einem der vielen Häfen in Ibiza Stadt einen Liegeplatz für diese Nacht bekommen waren erfolglos. Die Saison hat noch nicht begonnen und die meisten Häfen sind noch nicht geöffnet. Winterschlaf sozusagen. Wir erreichen um 23.30 Uhr die Calla Tallamanca, direkt neben der Stadt und lassen den Anker fallen. Es braucht noch zwei weitere Versuche ehe er im felsigen Grund Halt findet. Maschine aus, tief Luft holen und danach liegen wir uns wortlos für ein Paar Augenblicke in den Armen, völlig erschöpft aber glücklich. Wir sind nach über 600 zurückgelegten Meilen in Ibiza angekommen. Großartig. Wir haben uns seinerzeit aus Ueckermünde eine ganz besondere Flasche Rum mitgenommen. Und die will nun verhaftet werden. Leider schaffen wir jeder nur einen kleinen Schluck und versinken anschließend sofort in den Schlaf.

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