Am Mittwoch, den 13.03.2024 brechen wir gegen Mittag in Dessau auf. Vor uns liegen ca. 3.000 km bis zur Insel Kos in Griechenland. Teils werden wir die Strecke mit unserem Begleiter „Lou“ auf Autobahnen und Landstraßen zurücklegen, teils mit Fähren über die Adria und quer durch die Ägäis. Und es ist unsere erste, echte Testfahrt mit Lou. Wir sind absolute Greenhorns im Umgang mit einem Camper aber wer es nicht probiert, wird es nicht wissen. Wir freuen uns darauf endlich zu erleben, was denn dran ist am derzeit so hipen „Vanlive“ Virus. Ist ein Boot auf vier Rädern eine Alternative? Wir lassen uns überraschen.
Wir haben uns entschieden mit dem Auto nach Kos zu fahren, da wir das Boot ausräumen wollen. Und das ist schlichtweg zu viel um es mit dem Flugzeug transportieren zu können. Immerhin wartet da ein ganzes, halbes Leben auf uns und will jetzt wieder nach old G.
Unsere erste Etappe soll uns lediglich bis weit in den Bereich südlich von München bringen. Wir wollen den Ring um München geschafft wissen. Der nahegelegene Tegern-, Chiem- und Starnberger See locken uns schon als Stellplatz für die erste Nacht. Aber die Vernunft siegt: je attraktiver ein „wilder“ Stellplatz scheint, je mehr wird er frequentiert und kontrolliert. So entscheiden wir uns irgendwo am Rande der Stadt Rosenheim die Nacht zu verbringen. Wir finden unseren Platz direkt am Inn neben einem unscheinbar wirkenden Tauchclub. Es ist Mitte März, der Tauchclub mindestens noch 2 Monate im Winterschlaf. Denkste. Ab 18.30 Uhr ist viel Betrieb auf dem Parkplatz. Einmal monatlich ist Mitgliederversammlung und die im März findet genau heute statt. Macht nichts, wir stellen uns 15 m weiter abseits und haben trotzdem eine ruhige Nacht.

Am nächsten Morgen versuchen wir noch einen Blick auf Rosenheim zu werfen aber das lohnt nicht. Ich denke, die Stadt wurde lediglich als Kulisse für die „Rosenheim Cops“ gebaut. Da gibt es nichts zu sehen.
So fahren wir weiter Richtung Innsbruck, queren den Brenner-Pass und sind am Nachmittag bereits in Italien. Wir hatten noch überlegt, ob Lou besser seine Sommerschuhe gleich anziehen soll aber auf dem Brenner ist Winterausrüstungspflicht bis Mitte April. So kommen wir mit Winterreifen im sonnigen Südtirol bei 15 Grad an. Unser Ziel ist die Stadt Bozen, Hauptstadt der Provinz Tirol. Auf dem Weg dorthin soll es einen Gebirgssee in traumhafter Kulisse mit kristallklarem Wasser geben. Da mich seit meinem Aufenthalt in der Klinik diese dauernde Lust am Baden (egal wie kalt es ist) nicht wieder verlassen hat, ist das unser Ziel. Aus dem sonnigen Etschtal geht es somit wieder nach oben in die Alpen. Genau genommen geht es eine Stunde so steil bergauf, dass wir uns manchmal ansehen und überlegen, ob das eine gute Idee war. Nach zwei Drittel der Strecke: wo kommt plötzlich der ganze Schnee her? Hinter irgendeiner Kurve hinter irgendeinem Dorf türmt sich plötzlich meterhoher Schnee am Straßenrand auf. Logisch, wir sind oberhalb der Schneegrenze und da liegt eben Schnee. Wir nicken beide und sind uns einig, entweder wartet dort oben eine fette Überraschung auf uns oder wir behalten den Ausflug lieber für uns. Lou schnauft tapfer bis zum angegebenen Ziel im Navi und …. kein See, kein kristallklares Wasser.
Der See ist schlicht zugefroren und mit einer dicken Schneeschicht bedeckt. Zwar ist er da aber eben unsichtbar. Egal, das Pano ist dafür Weltklasse und entschädigt 100-fach den unsichtbaren See. Wir stehen völlig allein auf einem geräumten, trockenen Parkplatz umgeben von mehreren Gipfeln mit Puderzuckerhut. Auf der anderen Seite zeigt sich das tiefe Etschtal im ersten Grün der Saison. Die Sonne scheint, es hat 6 Grad Lufttemperatur und wir grinsen. Ja, das ist dann eher als schöne Überraschung zu werten.
Wir machen eine Wanderung durch die Schneelandschaft und sind völlig aus dem Häuschen, weil wir damit nicht gerechnet haben. Claudia war schlau und hat ihre Wanderschuhe mitgenommen. Ich hingegen laufe mit Sandalen durch den Schnee. Immerhin wollten wir ja in den Süden fahren, so meine Ausrede. Die Nacht verspricht uns – 4 bis – 6 Grad C. Grüße an die flackernde Ampelregierung in Berlin: unsere Dieselheizung funktioniert einwandfrei.
Wir verlassen am zeitigen Vormittag nach Kaffee und Käsebrot den „Lago de Crezza“ mit Ziel Bozen. Da unser Begleiter im weitesten Sinne ein etwas groß geratener PKW ist haben wir den unschlagbaren Vorteil, praktisch überall parken zu können, auch im Parkhaus. So drehen wir gar nicht erst verzweifelte Runden in der Innenstadt um einen Parkplatz zu finden sondern steuern direkt das Parkhaus an, welches das am weitesten geöffnete Maul hat und ruft: „kommt in mich“. Dank sinnvoller, elektronischer Helfer macht es beim Einfahren nur einmal „piep“ und die Parkgebühr ist gebucht. So auch die Mautgebühren auf Italiens Autobahnen. Kleine, schwarze Kiste an der Frontscheibe sei Dank.
Als erstes empfängt er uns: „Walther von der Vogelweide“. Ganz tief in meinem Gedächtnis klammert sich eine Erinnerung, keine gute Erinnerung: Deutschunterricht, 7. oder 8. Klasse, Minnesänger und Dichter in irgendeiner Epoche, „Unter den Linden“, damals todlangweilig. Heute, naja. Ob Bozen sich die Geburtsstadt des wichtigsten Dichters des Mittelalters nennen darf ist strittig, auch andere Städte beanspruchen das für sich. Wir schlendern durch die Stadt und völlig überraschend gibt es was zu sehen? Na klar, eine Kirche, Basilika, Dom, Kathedrale, Münster …. Diese hier hört auf den Namen „Dom Maria Himmelfahrt“ und beeindruckt mit ihrem farbigen Marmordach. Und den auffällig vielen, wirklich vielen Beichtstühlen die in ihr stehen. Ob das der Lebenswandel der Italiener so bedingt?
Was aber zweifelsfrei hier sein zu Hause hat und wirklich lohnt, besucht zu werden ist Iceman, Schnalsi, Mann vom Tiesenjoch oder besser bekannt als „Ötzi“. Wahrscheinlich der berühmteste Tiroler aller Zeiten. Das eigens für ihn errichtete Museum vermittelt einen kurzweiligen und interessanten Eindruck des Lebens in der frühen Bronzezeit vor ca. 5.200 Jahren. Vieles ist Vermutung, vieles ist belegt, manches ist Spekulation, anderes wieder Fakt. Kurzum auf jeden Fall wert, hier anzuhalten wenn man in der Nähe ist und man sich dafür interessiert. Wo bekommt man sonst schon mal die Möglichkeit eine nonverbale Unterhaltung mit (s)einen Ururururur …. Vetter zu haben.
Wir verlassen die sonst eher unauffällige Stadt am späten Nachmittag weiter Richtung Süden und halten über Nacht am Parkplatz der Seiser Almbahn. Für die einen der Einstieg ins gleichnamige Skigebiet, für uns Ausgangspunkt einer Wanderung entlang am Fuße des Schlern zum Völser Weiher. Der Parkplatz leert sich ab 17.00 Uhr und wir stehen hier mit ca. 6 anderen „Übernachtern“. Sternenklare Nacht in den südlichen Alpen, irgendwo gurgelt ein Bach, was braucht es noch mehr? Am kommenden Morgen werden wir daran erinnert, wo wir parken. Ab 09.00 Uhr ist der Parkplatz voll mit Autos, geschätzt etwa 500 – 600, die Leute steigen aus, nehmen ihre Ski und laufen zur Seilbahn. Es ist Samstag und hier noch eins der wenigen, schneebedeckten Skigebiete. Wir gucken uns an und stellen erstaunt fest, es zuckt nicht in den Beinen. Wir wollen da nicht unbedingt mitmachen. Kaffee, Käsebrot und ab geht es zu unserer Wanderung zu einem der bekanntesten Bergseen der Region. Wir durchqueren gesund wirkenden Wald, man riecht der gut, es geht steil bergauf, schnief, ein bisschen Klettern hier, eine hölzerne Brücke über eine Klamm da. Wir laufen über aufgegebene Almen (Plural von Alm?), waten durch meterbreite Rinnsale von Tauwasser und haben oft einen Blick auf den Schlern, namengebender, 2.560 m hoher Berg und eins der Wahrzeichen der Dolomiten. Wetter passt ausgezeichnet, der mit 9,1 km angegebene Trail noch gut zu bewältigen für allmählich japsende und öfter „die Aussicht genießende“ Hiker wie uns. Vorbei am Hexenstein und da funkelt er in der Sonne, der Völser Weiher. Er funkelt zwar nicht azur oder blau oder Kristall … eher schnöde grün, aber er funkelt. Kein Eis, kein Schnee auf seiner Oberfläche, er hat schon ausgeschlafen. Neben uns gibt es wenige andere Besucher am See und die sind alle mit dem Auto angereist. Püh.
Wir machen eine filmreife Pause mit ausgestreckten Beinen, mitgebrachten Broten, Tee aus der Thermoskanne und würden mal wieder gern die Zeit anhalten, wenigstens ein bisschen. Tropf, tropf, tropf … Zeit anhalten … Patsch. Direkt aufs eingeschlafene Auge kam der nächste, fette Regentropfen. Wir sind in den Alpen, eher oben, es ist Mitte März, Wettervorhersagen haben hier keine Gültigkeit. Wir flüchten irgendwohin, ohne zu wissen wohin, … da ein Haus, an dessen Rand können wir uns unterstellen. Nass. Okay, wir wollten eh den See umrunden also laufen wir weiter, zehn Minuten später grinst wieder die Sonne vom Himmel als wäre nichts gewesen. Was wir nicht sehen, sie hat hinter ihrem Rücken schon die nächste Regenwolke parat. So erreichen wir die andere Seeseite halb nass, halb trocken aber fröhlich. Rückweg. Dann winkt der Regen auch ab und verzieht sich woanders hin. Tatsächlich ist das eine der besten Wanderungen die wir zusammen gemacht haben. So beschließen wir es am Abend mit einem bis an die Ohren reichendem Grinsen.
Ich laufe noch mal runter ins Dorf um Obst und Ungesundes für den Abend für Claudia zu holen, Punktekonto weiter auffüllen. Es ist Samstag Abend und wir sind in einer erzkatholischen Gegend, hört euch das Spektakel an ….
Um fossile Brennstoffe zu sparen, rollen wir am kommenden Morgen wieder bergab ins Etschtal. Vielleicht kennt der eine oder andere noch Ritter Runkel und seine Digedags? Auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel besuchen wir die Burg „Runkelstein“. Hier also haben der streitsüchtige, selbstverliebte aber doch sympathische Ritter und seine drei Gefährten gelebt? Wir beurteilen gern besuchte Orte nach einem einfachen Kriterium: würden wir hier leben wollen? Burg Runkelstein gehört ganz klar dazu. So sieht für uns eine mittelalterliche Burg aus, nicht zu groß, nicht zu klein, schweres Holztor, Bleiglas in den Fenstern, große Baderäume, große, gemauerte Öfen, für jeden Anlass eine extra Saal. Mittelalterliche Noblesse. Tatsächlich weist die Burg die größten, erhaltenen Freskenmalereien des Mittelalters auf. Kein goldener Rahmen, kein Schnickschnack, direkt auf die Wände gemalt und wirklich gut zu erkennen, jetzt noch 1.200 Jahre später.
Danach heisst das nächste Ziel Verona. Nein, nicht die ehemalige Feldbusch, sondern die Großstadt und Shakespeares Schauplatz für „Romeo und Julia“. Die Stadt der Liebenden, na dann nichts wie hin. Am „Anreisetag“ machen uns auf die Suche nach unserem Platz für die Nacht. Wir haben für uns beschlossen, ruhig mehrere Favoriten anzufahren um dann zu entscheiden, wo wir stehen werden. Erste Adresse ist ein ausgewiesener Stellplatz weit ausserhalb der Stadt. Trostlos und gut belagert von WoMo Fahren mit bunten Wimpeln sind wir in 2 Minuten wieder weg. Zweite Adresse ist ein Parkplatz mitten in einem Wohngebiet, Schochplan auf italienisch. 10 Sekunden, Abfahrt. Dritte Adresse ist ein Parkplatz an einem Friedhof, auch weit ausserhalb der Stadt, perfekt. Der Parkplatz ist ab 17.00 Uhr praktisch leer, die Gegend sehr, sehr ruhig, der Friedhof ab 18.00 Uhr geschlossen. Und Wasser für unseren Tank gibt es gratis. Ein kleiner Spaziergang noch, gute Nacht Geliebte, Licht aus, schön.
Am nächsten Morgen fahren wir in die Stadt und als Erstes wartet wieder was auf uns …., logisch eine Kirche, die Basilica di San Zeno Maggiore. Ich habe zwischenzeitlich so viele davon gesehen, dass man denken sollte irgendwann wird es langweilig. Wird es auch, vorher. Steht man erstmal drin, macht es oft wieder wow. Sie gilt als eine der schönsten romanischen Basiliken Italiens (neben den anderen 300 Kirchen die das auch für sich sich beanspruchen). Sie ist auch bekannt als Ort, wo die Hochzeit von Romeo und Julia vollzogen wurde. Was ich aber viel interessanter finde ist, dass der Name der Kirche dem „heiligen Zeno“ gewidmet ist. Einem Bischof der Stadt im 1. Jh afrikanischer Herkunft, ein farbiger Bischof, dessen Darstellung als Farbiger man sich aber nicht so richtig traute. Und die Bronzetüren des Hauptportals, die sind einzigartig und garantiert wert, gesehen zu werden. Wir bleiben lange in der Basilika und haben dennoch beim Verlassen wieder dieses Gefühl, doch nicht alles gesehen zu haben.
Wir fahren weiter Richtung Innenstadt um das Wahrzeichen Veronas zu besuchen, die „Arena von Verona“, ein riesiges Amphitheater aus dem 1.Jh. Was die Römer wirklich gut konnten: Angeber-Arenen bauen, antike Noblesse pur. Es stockt einem förmlich der Atem wenn man diese imposanten Bauwerke sieht, 2.300 Jahre alt und sie stehen da eben so rum, als wäre die Zeit nur ein Störfaktor für die anderen. Wir umrunden das Monstrum. Klasse. Heute ist es das angesagteste Freilufttheater für Opernfestspiele der Welt. Ein Besuch garantiert ein Erlebnis, die Preise schwindelerregend. Wir schlendern noch etwas durch die Altstadt Veronas, so sieht Italien aus.
Da unser Platz für die vergangenen Nacht wirklich gut war, fahren wir wieder dorthin und stehen eine zweite Nacht am Friedhof. Totenstille im Sinne dass Wortes, wir schlafen gut nach diesem anstrengenden und schönen Tag. Nach Kaffee und kurzem Morgenspaziergang rollen wir weiter Richtung Süden. Kraft kommt von Kraftstoff und so rollen wir wieder bergauf in die wahrscheinlich älteste Republik der Welt. San Marino. In Höhe Riminis in Norditalien gelegen, thront die Republik im Staat auf ihrem 650 Meter hohem Monte Titamo. Wahrzeichen sind die drei Wachtürme der Altstadt als Zeichen einer von jeher freien Republik, die nie Teil eines andern Staates sein wollte und somit immer unabhängig blieb. Wir haben uns im Reisepass unsere Republikflucht höchst amtlich per Stempel zertifizieren lassen. Die Oberstadt, das alte San Marino, beeindruckt mit seiner alten Stadtmauer, dem Gemeindehaus, den drei Türmen, seiner Basilika und den kleinen, charmanten Gassen. Es gibt viele Museen, tolle Aussichtspunkte und das ganz besondere feeling in einer Enklave zu sein. Es ist aber nicht zu übersehen, dass der kleine, sympathische Staat sich sehr um das Beste seiner Touristen bemüht. Gucci, Boss, Pizza Mario und Tinnef hoch konzentriert. Und die Unterstadt, das neue San Marino will nur durchfahren werden. Wir parken die zwei Tage die wir hier sind auf einem dafür angelegten Platz am Fuße der Altstadt. Der Platz erstreckt sich über 5 oder 6 Terrassen, welche jeweils ca. 30 mobile Besucher beherbergen könnten. Es gibt Toiletten, Wasser und Entsorgungsmöglichkeiten. Wir sehen in Summe fünf, vielleicht sechs Besucher und zwei heimliche Liebespaare im Auto. Vorsaison, gut, gut.
Wir rollen am kommenden Tag wieder hinab aus San Marino und nehmen direkt die Autobahn nach Ancona, Mittelitalien. Nicht weil wir Ancona besuchen wollen sondern weil dort ein lärmendes Ungetüm aus Stahl auf uns wartet um uns über die Adria nach Griechenland zu bringen: Anek Superfast Ferry.
Die latente Aufregung wegen unserer ersten Fahrt mit einer Fähre, Bordkarten holen, Zoll, einschiffen, wann und wo müssen wir was vorzeigen ist unbegründet. Auf dem Weg zum Hafen große Schilder: Check-in hier lang, da hinstellen, da reingehen, da Tickest holen. Nur da lang fahren wo PKW dran steht und da steht deine Fähre. Wenn der da mit der gelben Weste winkt, fährst du hinein und stellst deine Kiste exakt auf den Zentimeter da ab, wo der andere in der gelben Weste es dir anzeigt. Klappt. Die Fahrt mit der Fähre von Italien zum griechischen Festland spart uns etwa 1.000 km im Auto und entspannt die ganze Reise entsprechend. Es gibt hier Spielcasino, Shoppingcenter, a la card Restaurants, Coffeeshop, Selbstbedienugskantine, Openair Plattform im Heck mit Bier im Plastikbecher …, praktisch all das, was auch eine Aida bietet. Nur ist auf einer Fähre alles etwas rostiger, lauter, verbrauchter, es vibriert manchmal heftig und irgendwie stinkt es immer ein bisschen nach Auspuff. Wir machen es uns in einem der ca. 350 unbesetzten Airseats gemütlich. Große, breite Sessel mit Schlummerstellung. Claudia beansprucht Drei für sich und schläft im mitgebrachten Schlafsack und Reisekissen. Ich brauche zwei der Throne und schlafe auch gut, mehr sitzend.
Schneller als im Fahrplan geplant erreichen wir das griechische Festland. Eine ohrenbetäubend laute Ansage treibt uns ins Garagendeck, einsteigen und 10 Minuten später öffnet das Stahlmonster seinen Bauch und wir werden aus ihm entlassen. Wir haben uns für einen nördlichen Fährhafen auf dem griechischen Festland entschieden, da unser nächster Zwischenstop Kalambaka heisst, genauer die schwebenden Klöster von Meteora. Vorbei an schneebedeckten Gipfeln (in Griechenland???) erreichen wir unser Ziel nach etwa 3 Stunden Autofahrt. Wir haben genügend Zeit um eine erste Stippvisite zu den Klöstern zu unternehmen, auch wenn die meisten bereits geschlossen haben. Ausser „Agios Stefanos“, eins der kleineren der vierundzwanzig Klöster, das öffnet seine Pforten bis 17.00 Uhr. Attacke, Wow. Das besondere der Meteora = in die Luft heben, Klöster ist die Tatsache, dass sie immer auf der Spitze einer Kalksandsteinnadel errichtet worden, auf der Spitze eines Spargels. Ein so schon absolut imposanter Anblick. Und wenn es diesig ist, scheinen die Klöster zu schweben. Wer kam einst auf solche Ideen?
Reisetag heisst Stellplatz für die Nacht suchen. Der erste Versuch scheitert an den auffällig vielen, verwilderten Hunden. Arme Kerlchen aber wir können denen nicht helfen. Abfahrt. Der zweite „Parkplatz“ liegt in einem kleinen Wäldchen am Rande einer gemütlich wirkenden Wohngegend aus Einfamilienhäusern. Waldsiedlung Neukochstedt in griechisch. Ja, das ist unser Platz, kurzer Spaziergang zum Umgebung erkunden. Man geht das hier steil bergauf, überall lärmen Rasenmäher und Heckenscheren. Ab in unseren Camper, Wurstbrot, Weißwein, Buch auf dem Schoß, gute Nacht. Irgendetwas killt in dieser Nacht mit viel Aufhebens eine Taube auf unserem Dach. Lou sieht am nächsten Morgen ein bisschen aus wie Papageno mit seinem ganzen, unfreiwilligem Federschmuck. Kaffee, Frühstücksbrot, Knutsch, auf geht es zur zweiten Tour zu den Klöstern. Unser erster Besuch an diesem Tag gehört dem Nonnenkloster Roussanou. Es geht wieder steil bergauf zu Fuss. Heute sind die Klöster per Treppe oder Brücke zu erreichen, früher nur per handbetriebenem Flaschenzug. „No Fotos Sir, no Fotos“ ermahnt mich die griesgrämige Wächterin. Aber auch Frau Wächterin hat ihre natürlichen Schwachstellen und muss irgendwann zum Klo. So konnte ich doch „heimliche“ Aufnahmen vom Allerheiligsten machen. Es ist schwer vorstellbar mit wieviel Aufwand diese Klöster seinerzeit gebaut wurden, erste Anhaltspunkte weisen auf 1192 hin, gesichert ab 13. Jahrhundert sind heute nur noch wenige von ihnen bewohnt. Was uns aber auffällt, es sind fast ausschließlich Griechen mit uns auf Besichtigungstour und die meist in Familie. Geschichtsunterricht live. Gefällt uns sehr gut. Die Klöster natürlich auch. Die meisten sind heute in einem gut restaurierten Zustand zu bewundern Wir besuchen insgesamt 5 der Klöster, wenn schon, denn schon. Griechenland ist ja irgendwie Geschichte pur und zu den Klöstern können wir sagen: ja, das ist ein Stück besondere Geschichte. Was den Italienern ihre Angeber-Arenen, das den Griechen ihre Klöster. Man könnte sehr viel Zeit mit der Besichtigung der Klöster verbringen, sind sie alle einzigartig, mal groß, mal kleiner, mal mit Garten und mal ohne, mal mit Weinkeller und dem größten Weinfass (gebaut um 1450), was ich je gesehen habe, mal schlicht. Unser Fazit, seid ihr in der Nähe und habt Zeit und Lust, lasst euch das nicht entgehen.
Unser Ziel heisst aber trotzdem Insel Kos und so machen wir uns am Spätnachmittag auf den Weg ein Stück weiter Richtung Südosten. Wir planen die Strecke nach Kilometern und versuchen, möglichst nicht mehr als 3 Stunden (300 km) mit fahren zu verbringen. So bewirbt sich ein See mitten in der griechischen Einöde darum, unser nächstes Ziel zu sein. Die Autobahnen in Griechenland sind auch mautpflichtig. Unser kleiner, schwarzer Kasten an der Windschutzscheibe funktioniert aber leider nur in Frankreich, Spanien, Portugal und Italien. Hier zahlt man sein Gebühr beim Auffahren auf die Schnellstraße in bar oder per Karte. Macht nichts, wir haben keine Termine aber die 5 Minuten Zeit. Die gebührenpflichtigen Autobahnen in Griechenland sind nach unserem Empfinden übrigens besser als unsere zu Hause, die des Autobahnbaumeisters Deutschland. Muss man allerdings auch erwähnen, dass es in Griechenland praktisch nur drei Jahreszeiten gibt: Früh-, Hoch-, Spätsommer. Da ist es einfacher, seine Straßen in Schuss zu halten.
Der See ist schnell gefunden und da er irgendwo im Nichts liegt ist er entsprechend wenig besucht. Es ist Samstag und eine Handvoll Angler hat sich für eine gemütliche Nacht am See eingerichtet, auf der anderen Seeseite. Wir profitieren zum ersten mal davon, dass unser Gefährt mit all seinen vier Beinen laufen kann, die Zufahrt auf unserer Seite zum Seeufer ist nicht für „jedermann“ geeignet. Aber es klappt gut und nach 15 Minuten mit Luftanhalten stehen wir an unserem heutigen Schlafplatz. Was braucht es mehr? Wir gehen baden, genießen den Sonnenuntergang und merken schnell, es ist erst März, Heizung an, „schlaf gut“. Was ein schöner Tag.
Am kommenden Morgen ist auch unsere Seeseite von ein paar Anglern belagert. „Hallo Fremde, wo kommt ihr her, wo wollt ihr hin“ … freundliche Menschen und fast alle wieder in Familie unterwegs. Wir trödeln den Tag am See so rum mit dampfendem Kaffe, baden, lesen, das nächste Stück Weg planen und Löcher in die Luft gucken. Gegen zeitigen Nachmittag fahren wir unser Dach ein, verstauen unsere Stühle und Lou krabbelt auf „allen Vieren“ wieder nach oben zur Straße. 220 km haben wir vor uns und wollen heute gern am Meer stehen. Geplant, getan, 2,5 Stunden später stehen wir im Südosten des Golf von Euböa, ca. eine Autostunden von der nächsten, größeren Stadt Chalkida, 2 Autostunden von Athen entfernt. Eine Gegend, in die sich kein Tourist verirrt, griechisches Hoheitsgebiet sozusagen. Und so finden wir auch den endlos langen Kiesstrand vor. Es ist Sonntag und morgen Nationalfeiertag, verlängertes Wochenende in Griechenland. Der Strand ist gut von Einheimischen besucht aber so groß, dass jeder sein Plätzchen findet. Es wird gegrillt, gefeiert, gelacht, geangelt …. nur baden, das machen sie noch nicht. Aber wir. Wir freuen uns wieder am Meer zu sein, die Weite zu sehen, die Luft riecht nach Seetang und der Strand ist kunterbunt. Kunterbunt von Unmengen Müll, vorwiegend Plastik. Da stockt einem für einen Moment der Atem aus Unverständnis, Traurigkeit, Hilflosigkeit.
Wir verstehen es nicht, dass die Griechen ihre heißgeliebten Strände nicht pflegen. Klar hat niemand von den hier Feiernden den ganzen Müll verursacht und sie nehmen ihren mitgebrachten auch wieder mit. Aber das hilft doch nicht weiter. Wenn jeder einen Sack nicht verursachten Müll zusätzlich mitnimmt, ist der Strand in 3 Monaten wieder sauber. Macht aber leider niemand. Zum heulen. So sammeln wir für unser gutes Gewissen wenigstens zwei große Säcke Mist ein, übrigens auf weniger als 10 qm Fläche. Trotzdem nehmen wir die schöne Stimmung direkt am Meer mit ins Auto und schlafen bestens mit leisem Geplätscher, Vollmond, Möwengackern und der Vorfreude auf Morgen: Augen auf, ab ins Meer. Wir verbringen den nächsten Tag am Meer wieder mit duftendem Kaffee, Käsebrot und Spazieren. Claudia füllt ihre Schatzruhe mit Stöckchen, Muscheln, Steinchen und getrockneten Seesternen auf.
Spätnachmittag verlassen wir den Strand Richtung Athen/Piräus. Um 23.30 Uhr geht von dort unsere Fähre über die Ägäis nach Kos. Der Fährhafen von Piräus ist riesig, laut, schlecht zu durchschauen und so braucht es etwas mehr Zeit ehe wir wissen, wo unsere Tickets auf Papier zu ergattern sind. Elektrisch haben wir sie ja schon aber das zählt hier in Griechenland nicht. Auch das „Einschiffen“ läuft sehr unerwartet ab. Etwa 300 Passagiere, 150 PKW`s und 70 LKW`s wollen auf die Fähre und drängeln sich dicht an der Pier. Fähre kommt, Heckklappe auf oh Gott, genauso viele Leute und Autos wollen ja erstmal raus aus der Fähre. Aber wie, wenn die anderen unbedingt rein wollen? Freunde, das klingt jetzt etwas überzogen aber wir haben es tatsächlich so erlebt. Es dauerte eine Stunde, ehe die Pier soweit geräumt war, dass die Fähre erstmal entladen werden konnte. Resultierende, zwangsläufige Verspätung bei der Abfahrt dann 2,5 Stunden. Uns war es soweit egal, wir hatten ja keine dringende Verabredung. Wenn wir es nicht besser wüssten könnte man meinen, das war die erste Fähre die dort ent- und beladen wurde.
Die Überfahrt hingegen verläuft äusserst ruckelfrei, alle Zwischenhäfen auf dem Weg nach Kos werden angelaufen, manchmal sehe ich vom Achterdeck aus zu. Und das klappt irgendwie besser, LKW`s raus, neue LKW`s rein, PKW`s raus … usw. Und der Kapitän liegt den Gashebel auf den Tisch. Wir erreichen Kos trotz 2,5 stündiger Verspätung beim Auslaufen in Athen pünktlich zur vorgesehen Zeit. Oder ist das alles so einkalkuliert im griechischen, möglichst stressfreien Fahrplan?
Das Stahlungetüm öffnet sein Tor und wir rollen auf die Insel. Da die Festung, da der Stadthafen, da die Polizeistation, Eisladen … alles noch da. Gut, was soll sich auch in 10 Monaten in einem gut funktionierendem Kosmos ändern. Wir fahren direkt zur Marina, sind angemeldet und der Security Mitarbeiter winkt uns herein.
Da sind wir wieder an dem Ort, den ich vor 10 Monaten verlassen musste ohne Gewissheit einer Rückkehr. Frau Möwe sitzt da wo immer und nimmt mich nicht wahr, die Tankstelle hat schon offen und pumpt Diesel in ein Boot, „Skippers“ ist gut besucht mit Kaffeetrinkern, die Sonne zwinkert mir zu und flüstert: willkommen zurück. Macht sie? Vielleicht will ich es einfach so. Wir nehmen nur etwas Handgepäck aus dem Auto und machen uns auf den 700 m langen Fußmarsch quer durch die Marina zum Pier F, Sektion G zu unserem Boot. Aufregung macht sich breit. Claudia hat den Kat vor 10 Monaten an Land gestellt als sie noch hier war. Im Herbst wurde er vom Personal zurück ins Wasser verlegt und rund um die Uhr von aufmerksamen Marineros betreut. Soweit die Theorie. Da sehen wir ihn, längsseits fest gemacht an Pier F. Ein Schritt und wir stehen an Bord.
Freude, heulen, heulen vor Freude? Patsch, wieso habe ich nasse Füsse, wieso riecht hier alles muffig, wieso haben Claudias Wäschekörbchen einen unerwünschten Schimmelpelz … ?