Was machen wir den ganzen Tag hier in der Marina? Also: ein Boot ist eine ewige Baustelle, ein riesiges, schwarzes Loch, welches ständig nach Unmengen Brainpower, Manpower und Money giert. Nach unserer Ankunft hier in der Marina, vor nunmehr reichlich vier Wochen haben wir unseren Kat „winterfest“ gemacht. Klar, der Winter hier im Dodekanes ist nicht zu vergleichen mit dem Winter, welchen wir in old G. haben, aber dennoch ist einiges zu tun. So wird abgebaut, was nicht benötigt wird und sich über eine „sonnenfreie“ Pause freut. Die Segel wurden alle luftgetrocknet, abgenommen und im Inneren verstaut. Der Großteil unserer Leinen ist störrisch und hart geworden, will gewaschen und getrocknet werden. Heißt großer Behälter, Leinen, Wasser und etwas Feinwaschmittel rein, über Nacht stehen lassen und dann ordentlich durchwalken. Man kommt da eine dicke, schwarzbraune Brühe raus. Einmal spülen, Leinen trocknen, messen, beschriften, weghängen, eine Woche rum. Wir haben zwei Diesel-Standheizungen von unserem vorigen Kat „honu“ ungenutzt an Bord. Wenn sie schon da sind, baue ich sie auch ein. Eins unserer „Zimmer mit Meerblick“ hängt nicht an der vorhandenen Heizung und hat nun seine eigene bekommen, welche es innerhalb 6 Minuten auf 30 Grad heizt. Wer also nicht, ob Regierungsbeschluss, frieren möchte in old G. kommt uns einfach besuchen, warme Kabine und Logis frei. Gleichzeitig beheizt die „neue“ Heizung nun unseren Wintergarten, sprich unser Cockpit, Terrasse, Balkon, welches wir komplett mit Zeltteilen schließen können. Das ist unglaublich praktisch, wenn auch die Farbe unserer Kuchenbude (so heisst das in seglerisch) in marineblau dem Geschmack von vor vielen, vielen Jahren entspricht. Egal, wir haben sie und freuen uns darüber. Wieder eine Woche rum.

Die zweite Heizung werde ich so einbauen, dass sie nur unser Wohnzimmer beheizt, dann braucht die dicke, vorhandene Heizung nicht mehr so viel ackern, immerhin beheizt sie das ganze Boot. Und ja, heizen ist ein Thema bei uns. Sind die Tage noch angenehm warm mit 17 – 20 Grad, sind die Nächte frisch mit 12 – 14 Grad. Unisoliertes Boot heißt Aussentemperatur gleich Innentemperatur.
Wir haben viel Stauraum an Bord, sogenannte Backskisten, Schaps oder wie auch immer. Liebes Hanna du hast Recht, Seglersprache = ?????, braucht kein Mensch. Leider hat unser Vorbesitzer es einfach nicht geschafft, die mal von innen zu streichen. Der Anblick von rohem GFK ist nun wahrlich nicht schön. So bewaffnet sich Claudia regelmäßig mit Pinsel und Rolle und verpasst den vernachlässigten Stiefkindern ein frisches Aussehen. Dass auf Grund der Enge die Farbe nicht nur in den Kisten sondern auch an Claudia haftet, ist eben so. Weißgeschecktes Hasi, ungewohnter Anblick, hat was. Wieder eine Woche rum.

Jeder hat sich auf einer langen Autofahrt bestimmt schon mal gewünscht, dass es einen Autopiloten geben müsste, der die ganze Arbeit übernimmt. Wir haben die treuen Dienste unseres Autopiloten auf langen, 35 – 40 Stunden Fahrten zu schätzen gelernt. Wenn der ausfallen sollte hiesse das, dass einer von uns beiden ständig am Ruder stehen und lenken muss. Unvorstellbarer Supergau. Also hat Thomas beschlossen, einen zweiten Autopiloten einzubauen. Und mit einbauen meine ich einbauen, nicht liegen haben. Ich möchte im Ernstfall augenblicklich von Pilot A auf Pilot B umschalten können. Eine schmerzhafte Kontobewegung später ist er nun da. Aber vorher muss der zweite Steuerstand, den wir nie benutzt haben inklusive Hydraulikpumpe, Steuerrad und Hydraulikleitungen abgebaut werden. Und es kam wie es kommen musste, obwohl ich die Anlage vorher entleert habe, kam dennoch eine Menge Öl beim Abbauen herausgelaufen, direkt auf den Teakholzboden. Wischen, trocknen, wischen, trocknen, wischen, trocknen. Die Flecken bleiben uns noch lange erhalten. Wieder eine Woche rum. Lieber Micha, wir haben deinen Kommentar, dass es keinen wirklich bequemen Platz hier gibt verstanden und du hast recht. Da wo der zweite Steuerstand war, kommt jetzt ein Lümmelplatz hin.
Unser Großsegel (Segel hinter dem Mast) ist in die Jahre gekommen. Wir haben es in den vergangenen Monaten selten benutzt, denn es ist sehr groß, es ist unglaublich schwer und es hat einen dauerhaften Hang zur Widerspenstigkeit. Mit Vorliebe verfängt es sich in Leinen, die um den Mast herum leben, einmal drin, will es meist nicht oder nur mit viel gutem Zureden wieder loslassen. Wir bauen es komplett ab, das Ding ist so schwer, wir können es zu zweit kaum tragen. Ein paar Flüche später steht es aber an Land und wird offiziell in den Ruhestand geschickt. Danke trotzdem dir Monster für deine Dienste, du kannst nichts dafür, dass du so geschneidert wurdest. Was nu, ohne Großsegel ist ja auch doof. Viel Recherche im www folgt, man was gibt es heute eine unglaubliche Auswahl an Segeltüchern und noch viel mehr Meinungen darüber, sachliche und halbwissende, fundierte und freifliegende. Wir finden unser neues Großsegel made in Germany, bei https://www.segelwerkstatt-stade.de/startseite, großartiges Unternehmen. Und wenn wir einmal dabei sind, wir konnten immer schlecht bei moderatem Wind (6-12 Knoten) segeln, da unsere Segel für ordentlich viel Wind geschneidert sind. Aber genau da wollen wir eigentlich nicht segeln. So ordern wir noch einen Code Zero (Leichtwindsegel für Seiten- und vorlichen Wind) und ein Kuttersegel (kleines Vorsegel für Starkwind) als Heimbringer, wenn es mal wieder ordentlich faucht. Ein paar lange, informative und sehr aufschlussreiche Telefonate später flattert die Auftragsbestätigung bei uns ein. Autsch, das Konto heult nochmal laut auf. Aua, aua, aua.

Und es gibt natürlich noch ein Leben neben der Baustelle Boot. Claudia hat ihre Laufschuhe wieder zum Leben erweckt und joggt jeden zweiten Tag ihre 7.200 m. Man sieht die immer gut aus in ihrem Laufdress. Ich habe eine Trilogie von Ken Follett inhaliert, in der es um die Geschichte Deutschlands während des WW1, WW2 und der Nachkriegszeit geht: „Sturz der Titanen“, „Winter der Welt“ und „Kinder der Freiheit“. Freunde, wer gern liest, das ist eine ganz klare Empfehlung. Ich habe manches mal erst morgens um 04.30 Uhr wiederwillig aufgehört zu lesen, weil ich vor Müdigkeit nicht mehr konnte.
Wir haben sehr angenehme Menschen hier kennengelernt. Fred, ein waschechter Badener (also kein Württemberger) hat seinen Kat an Ralf, einen waschechten Bayern (also kein Franke) verkauft. Fred ist der erfahrene, gelassene Segler, viele tausend Seemeilen im Rucksack, das lebende Lexikon dem man einfach gern zuhört und lernt. Ralf ist der weltgewandte Tausendsassa und Entdecker, der die USA viele Jahre bereiste und nun neue Horizonte erobert. Sehr sympathisch die Beiden. Man hilft sich beim Abtakeln (Segel abnehmen und verstauen), isst zusammen den von Ralf aus dem Hotel umverlagerten Kuchen, trifft sich abends auf einen Ouzo mit Honig, tauscht sich aus und stellt fest, dass die Chemie einfach stimmt.

Und wir lernen Claus, ein waschechter Franke (also kein Bayer) und und seine Frau Claudia kennen. Die beiden leben hier auf Kos, Claus hat in der Marina einen Raymarine Shop (Bootselektronik) und offenbar Beziehungen bis zum Mittelpunkt der Erde. Auch er hat seinen Kat gerade an ? und ? verkauft, ein Paar aus Dresden, die wir nur kurz treffen.
Wir kochen viel. Es gibt einen gut sortierten Supermarkt mit Fleischtheke, fünf Fahrradminuten vom Hafen entfernt. Fühlt sich an, wie Edeka im Kleinen. Linseneintopf, Sofrito (Rindfleisch in Knoblauch-Weißwein-Soße), grüne Bohneneintopf, Schweinshaxen mit Röstkartoffeln …., ich habe ein Loch in meinem Gürtel zurück stecken können. Hm, was ein Leben.
Eines Abends habe ich das Kellerfenster offen gelassen und so hat es die ganze Nacht hinein geregnet, direkt auf das getrocknete und im Winterschlaf befindliche Segel. So gab es am kommenden Tag „Hafensegeln“ in Reinstform, Turbotrocknungsgang sozusagen. Hat gut funktioniert und das Segel schläft nun im Kinderzimmer, nicht mehr im Keller.

Und es hat auch hier auf Kos einiges mit der „Jahresendberammlung“. Die Hafenrezeptionistin hat Claudia verraten, dass es am Sonntag einen Weihnachtsmarkt in der Stadt gibt. Kann sich jeder vorstellen, was undemokratisch daraufhin beschlossen wurde. Im Gegensatz zu unseren üppigen, bunten und teuren Weihnachtsmärkten gleicht der hier eher einem Flohmarkt. Jeder verkauft irgendetwas selbst gebasteltes, gebackenes, gebratenes oder gemaltes. Die Leute sind alle weihnachtlich geschmückt, die Kinder bemalt, die Stimmung fröhlich. Sehr sympathisch.
Morgen Abend werden die Lichter des mitten auf dem Markt stehenden Baumes entzündet. Undemokratisch wurde beschlossen, dass wir dabei sind. Freunde, uns geht es gut.
Und jeden Tag einmal daran denken, wie gut es uns geht…..
Hallo Claudi und Thomas,
jetzt bin ich soweit, dass ich ohne „Heimweh“ Eure interessanten Berichte lesen kann.
Freu mich, dass es Euch soweit gut geht und wünsche Euch jeden Tag im Jahr 2023 alles Gute und nicht soviel Orcabisse!
Liebe Grüße
Justus