03.11.2022 Insel Rhodos, Symi, Tilos, Gyali, Kos

Endlich, da steht eine völlig erschöpfte aber glückliche Martha am Ausgang des Flughafens. Groß ist die Wiedersehensfreude, entsprechend lang die Umarmungen und vielzählige Küsschen, zumindest bei Martha und Claudia. Ich trage derweil ihr Gepäck ins Auto. Es macht immer wieder so viel Freude, diese fundamentale, einzigartige, bedingungslose und unendliche Liebe zwischen Claudia und ihren Schneckis zu erleben. Das ist ganz was Besonderes. So wird Martha vom ersten Moment an mit Kuchen, Saft und Süsskram daran erinnert, dass sie einer der beiden wichtigsten Menschen im Leben von Claudia ist und ich freue mich, die beiden nun zur Marina zu fahren. Dort angekommen „freuen“ wir uns, dass unser Boot schaukelt und hüpft und einen Paartanz mit dem Steg eingeübt hat. Was ein trauriges Zeugnis für eine so neue und moderne Marina. Martha richtet sich in ihrem Zimmer mit Meerblick ein, verschnauft kurz, entscheidet sich für ihre Urlaubslektüre aus der Bordbibliothek.

Dan Brown „Origin“ war ihre Wahl

Anschließend schlendern wir Richtung Altstadt. Auf dem Weg dorthin sehen wir viele Ruinen, aufgegebene Häuser und unfertige Baustellen. Mit Beginn der Innen-/Altstadt sieht es aber viel besser aus. Eine gut angelegte Spaziermeile schlängelt sich entlang der Küste, vorbei am Port Touristiko mit Fähren und Kreuzfahrtschiffen, teils gesäumt von der alten Stadtmauer bis hin zum Stadthafen, wo einst der „Koloss von Rhodos“, eins der sieben Weltwunder quer über der Hafeneinfahrt gestanden hat (gestanden haben soll). Dabei handelte es sich um eine ca. 30 – 35  Meter hohe Bronzestatue des Sonnen- und Stadtgottes Helios. Sie wurde zu seinen Ehren von den Rhodiern nach glücklicher Beendigung der Belagerung der Stadt 304 v.Chr. errichtet, da man glaubte er habe den Rhodiern den entscheidenden, strategischen Rat gegeben, durch den die Belagerung aufgegeben wurde. Unstrittig ist die damalige Existenz der Kolossalstatue, strittig ist jedoch ihr Standort. Überlieferungen zufolge stand der Koloss breitbeinig über der Hafeneinfahrt, wie aber soll ein 35 Meter hoher Sonnengott einen 100 m breiten Schritt machen ohne sich eine mächtige Zerrung zuzuziehen. Wir schlendern weiter in den mittelalterlichen Teil der Stadt. Rhodos gilt als eine der am besten erhaltenen Städte mittelalterlicher Architektur. Seit der Antike wurde Rhodos vielfach erobert und wieder verloren. So war der Stadtstaat Teil des römischen Reiches, die Byzantiner mischten auch 300 Jahre mit, kurz meldeten die Araber ihren Anspruch an, wurden aber durch die Kreuzritter vertrieben und fiel an die Franken. Die mussten die Stadt dann Anfang des 13. Jahrhunderts nach langer Belagerung dem Johanniterorden überlassen, der in den folgenden 200 Jahren die Stadt zur Festung ausbaute und ihr das bis heute erhaltene Antlitz prägte. Und irgendwann meldeten die Osmanen Anspruch auf die Stadt an und eroberten sie nach monatelanger Belagerung. So teilt sich die Stadt heute in eine Oberstadt, vorwiegend aus den alten Festungsanlagen bestehend und eine Unterstadt, in der sich die Einflüsse des osmanischen Reiches einmischen. Leider ist von der Unterstadt heute nicht mehr viel zu sehen. Nicht weil sie nicht mehr da ist sondern wie Make-up überdecken unzählige Restaurants und Geschäfte das Stadtbild. Man muss schon sehr genau hinsehen, um unter den tausenden ausgehängten T-Shirts, Badelatschen, Handtaschen und mannshohen Speisekarten etwas Stadt zu erkennen. 

Auf dem Rückweg streifen wir durch das neue Rhodos, eine Stadt ohne viel Aufsehen mit kleine Parks, modernen Wohnhäusern, schlechten Straßen und Gehwegen. Wir besorgen uns ein „Pita to go“, setzen uns an die sehr belebte Hafenpromenade und sind froh, nicht in diesem Hafen zu liegen. Am nächsten Tag geht es nach einem langen Frühstück per Mietwagen nach Lindos. Wir haben unseren Besuch vor ein paar Tagen dort ja wegen „Überfüllung“ abgebrochen. Hoffentlich haben wir heute mehr Glück. Und tatsächlich ist die Stadt zwar immer noch gut besucht aber bei weitem nicht so verstopft wie letzte Woche. Dennoch durchqueren wir die Stadt nur, da sich unser Interesse an „bunten Läden“ sehr im Rahmen hält. Unser Ziel ist die Akropolis oberhalb der Stadt. Wer will, kann auf dem Rücken eines Esels nach oben reiten, wir laufen. Wie in vielen Bereichen Griechenlands zu sehen, boten sich steil aufragende Hügel schon immer an, um dort einen Zufluchtsort und darin ein religiöses Heiligtum zu errichten. So gehen Archäologen heute davon aus, dass die Akropolis von Lindos in ihren Anfängen 600 v. Chr. eher eine Verteidigungsanlage war und allmählich ausgebaut wurde. So bildet ihr Zentrum die Reste eines Tempels der Athene mit zwei Säulenhallen und einer großen, vorgelagerten Treppenanlage, eingerahmt von den früheren Mauern. Während der byzantinischen Zeit entstand eine Burg neben der Tempelanlage, den Johannitern war das später aber nicht mächtig genug und sie errichteten eine noch größere Ringmauer. Die dann folgenden Osmanen hatten noch mehr Schiss und bauten mehrere Bastionen um die Akropolis, um die Burg besser verteidigen zu können. So verwandelte sich im Laufe der Jahrtausende eine Tempelanlage in eine mächtige Festung. Immer wieder beeindruckend zu sehen, was Menschen vor 2.500 Jahren geschaffen haben, ohne Maschinen und ohne Stadtplanungsamt.  

Es folgt ein kurzer Badeausflug in die wirklich schöne Bucht unterhalb der Stadt. Leider ist das Wasser auf Grund des starken Windes sehr aufgewühlt und Marthas Hoffnung, einen Rotfeuerfisch beim Schnorcheln zu sehen, erfüllt sich nicht. Schade. Ich habe vor einer Woche, als wir hier ankerten, gleich mehrere davon beim Schnorcheln gesehen. Bildschöne Fische, die eigentlich im Pazifik beheimatet sind, sich nun aber invasiv im Mittelmeer ausbreiten und nicht willkommen sind. Unser Rückweg führt uns wieder an einem großen, deutschen Discounter vorbei und so landet ein gut gefüllter Einkaufswagen im Kofferraum unseres Mietwagens. Mittelerschöpft und zufrieden kommen wir zum Boot zurück, laden alles aus und kosten uns durch die Einkäufe. Es gibt Tortillas und Pitabrot gefüllt mit vielen, leckeren Dingen. Wir sitzen bis tief in die Nacht und sind uns einig: „wir haben es im Moment soooooo gut“.

Der kommende Tag gehört dem Besuch eines Tales, in dem sich sieben Quellen zu einem Bach vereinen. Ausnahmsweise haben wir mal keine Probleme den Ort zu finden, das klappt auf Anhieb. Erstaunt sind wir, dass wir plötzlich in einem Wald stehen. Ich habe ja schon mehrfach erwähnt, dass uns unser üppig grüner Wald, wie wir ihn zu hause haben hier fehlt. Siehe da, wir stehen mitten drin. Wieviele Quellen sich hier vereinen sei dahingestellt, der Boden ist so fruchtbar und feucht, dass hier ein stattlicher Mischwald wächst. Er ist zwar nur wenige Hektar groß, muss aber einen Vergleich mit den großen, mitteleuropäischen Wäldern nicht scheuen. Tief Luft holen und den schönen, erdigen Geruch einfangen. Das Gebiet ist schnell durchwandert, hat aber dennoch das Zeug, sich zu den echt besuchswerten Orten hier auf Rhodos zu zählen.

Unser griechischer Nachbar in der Marina hat uns einen Tip gegeben, wo wir wirklich gut essen können. Wir fahren in dieses unscheinbare Örtchen, finden auch die Taverne und sind die einzigen Gäste. Liegt das an der Tageszeit (14.00 Uhr) oder an der endenden Saison? Egal, was wir dort serviert bekommen ist griechische Küche fernab der unzähligen „Touristenrestaurants“, einfach köstlich: Lammfleisch in Limettensoße, frittierter Tintenfisch mit Grillgemüse, überbackener Feta mit Salat, Pitabrot mit Knoblauch. Mmhh, das war seit langem das beste Essen. Unser Bootsnachbar meinte auch, solche Restaurants werden immer seltener, da nur noch für die vielen Urlauber gekocht wird. 

Von dort aus fahren wir ins Tal der Schmetterlinge. Das Tal ist bekannt dafür, dass sich dort zwischen Mai und September abertausende des endemisch auf Rhodos vorkommenden Bärenspinners und einer Vielzahl anderer Schmetterlinge versammeln. Grund dafür ist ein bedeutendes Vorkommen des orientalischen Amberbaumes, dessen Harz für die Falter wie Honig für Bären riecht, unwiderstehlich. Freunde, es ist Ende Oktober und dementsprechend nicht eineinziger Schmetterling mehr da. Macht aber nichts, dafür haben wir das Tal fast für uns allein, es schlängelt sich ein Bach hindurch der überall gurgelt und plätschert, es wächst üppig viel Grün und die Wege sind gut zu wandern. Auch dieses Tal ist nur wenige Hektar groß und in 2 h hin und zurück durchquert. Lohnt sich. Ich will mir aber nicht vorstellen wie es dort im Sommer ist, wenn neben den Schmetterlingen auch abertausende Schmetterlingsgucker sich dort drängeln. Der Größe der angrenzenden Parkplätze mit riesigen Bushalteplätzen nach zu urteilen, muss das gruselig sein. 

Rückfahrt, Discounter, Kofferraum nochmal voll, ich mache uns koreanisches Streetfood aus gebratenem Brot, Würstchen, Schinken, Gemüse, Eiern und einer dicken Schicht zerlaufendem Käse oben drüber. Mampf, satt, Sundowner, man gehts uns gut. 

Was ist Griechenland ohne antike Ausgrabungsstätte? Bier ohne Schaum. Unser Ziel am kommenden Tag ist „the ancient Kamiros“, das antike Kamiros. Neben Lalissos und oben beschriebenem Lindos die dritte Stadt des antiken Rhodos. Wir fahren eine wunderschöne Küstenstraße dorthin entlang, die wir noch im Auto den „Rhodos Ocean Drive“ nennen. Wir haben einen unglaublich schönen Ausblick auf das Meer der jedoch von unzähligen Gewächshausanlagen unterbrochen wird. Überall flattern Folienrester in den Büschen, aufgegebene Anlagen bilden schaurige Skulpturen aus rostenden Stahlrahmen an denen sich verzweifelt Glasscherben klammern, im Windschatten schlummern haufenweise Verpackungen für Zuchtgurken, -paprika und -tomaten und hoffen, mit der nächsten Windböe ins Meer getragen zu werden. 

Kamiros wurde ca. 1.000 v. Chr.  gegründet, verlor aber schnell nach Gründung der Stadt Rhodos an Bedeutung. Dennoch gibt es dort bemerkenswerte Neuerungen der Antike zu sehen: was wir heute mit vergrabenen Plastiktanks realisieren, wurde schon in der Antike erfunden, Regenwasserrückhaltung. Es gibt in Kamiros eine Zisterne von etwa 600 kbm Fassungsvermögen zu sehen, die schon vor ca. 2.800 Jahren dafür sorgte, dass ausreichend Trinkwasser zur Verfügung stand. Und das dazugehörige Leitungssystem aus Tonrohren ist auch noch zu erkennen, wenn man genügend Vorstellungskraft besitzt. Auch hier setzt man einen Tempel der Athene auf die höchste Stelle der Stadt, hübscht die Häuser mit Säulen und freitragenden Decken im hellenistischen Stil auf, lässt einen Gelehrten in der Stadt leben und schon hat man einen besuchswerten Ort. 

Hat man?  Naja, eigentlich wirkt Kamiros wie Rheda-Wiedenbrück zwischen New York, Sydney und London im antiken Griechenland. 

Was ist eine griechische Insel ohne ein Bergdorf, welches glaubt das schönste weit und breit zu sein? Champagner ohne Perlen. Der diesmalige Angeber hört auf den Namen Embonas und ist vom antiken Kamiros aus gut zu erreichen. Also ab geht die Fahrt dorthin. Das Dorf liegt sehr hoch und entsprechend schlängelt sich die Straße in engen Serpentinen steil nach oben. Der Fiat Panda verlangt zwar immer öfter nach dem zweiten Gang aber er fährt uns ganz nach oben, tapfer wie er ist. Freunde, spart euch den Weg dorthin, wenn ihr auf Rhodos seid und das Dorf auf eurer Liste steht. Es ist das Zentrum des Weinbaus auf Rhodos, mehr auch nicht. Da ist nichts, was es lohnt dorthin zu fahren, ausser ein paar Berichten von offenbar betrunkenen Internetschreiberlingen, welche zu viel Wein dort probiert haben und keinen klaren Blick mehr hatten. Rückfahrt, Mietwagen zurück, keine Ahnung was wir an diesem Abend wo gegessen haben, habs vergessen. Aber einen schönen Abend auf dem Boot hatten wir Drei auf jeden Fall, denn den hatten wir immer. 

Laaaanges Frühstück, dann machen wir uns zu Fuß nochmal auf den Weg in die Stadt. Heute wollen wir die Oberstadt besuchen in der Hoffnung, dass sie nicht so geschminkt ist wie die Unterstadt. Wir schlängeln uns durch die „bunten Läden“ Gassen direkt zum „Palast der Großmeister“. Ein Großmeister ist das oberste Ende der Hierarchie im Malteserorden (Johanniter), praktisch der Oberritter, seine Hoheit oder eben der Chef von allen Rittern. Errichtet im 14. Jahrhundert, fertiggestellt Anfang des 15. Jahrhunderts prägt er wie kein anders Bauwerk das Bild der Stadt. Riesig, monumental, ehrwürdig. Leider mussten die Johanniter den Palast, kurz nach seiner Fertigstellung den Osmanen nach deren Eroberung der Stadt überlassen. Und da die offensichtlich genauso gern mit dem Feuer spielten wie ihr heutiger Präsident, zerstörte 1856 eine Explosion der Pulverkammer fast den gesamten Palast. 1937 – 1940 unter italienischer Herrschaft wieder aufgebaut, besichtigt man heute eine Rekonstruktion des Palastes. Original erhalten ist nur noch der Eingangsbereich mit seinen zwei imposanten Türmen. Der Besuch lohnt sich, vermittelt er einen umfangreichen Einblick in die „groß, größer, am größten“ Denkweise des späten Mittelalters. Man, wie haben damals so wenige Privilegierte auf so viel Raum gelebt. 

Die Vorstellung, in solch einem Palast zu leben hat uns Drei schon irgendwie beeindruckt. Italiens Diktator Benito Mussolini dachte seinerzeit das selbe, wurde aber Gottseidank hingerichtet, ehe er dauerhaft einen Fuss in die Festung setzen konnte. 

Wir schlendern vom Großmeisterpalast durch die „Ritterstraße“ hinab in die Unterstadt. Wenn diese auch stark geschminkt ist, die Oberstadt ist es nicht. Die Ritterstraße, benannt nach den unzähligen Unterkünften der Ritter links und rechts der Straße wirkt auf uns, als wären wir im 18. Jahrhundert. Selbst die alten Türen sind erhalten, keine Läden, keine Tavernen, lediglich dezente, kleine Schilder weisen auf den neuen Nutzer der einstigen Ritterappartements hin. Großartig. 

Am Ende der Ritterstraße erreichen wir das archäologische Museum der Stadt. Martha hat wieder Glück und kommt, da unter 25 Jahre alt, kostenlos hinein  So auch im Großmeisterpalast, in Kamiros und in der Akropolis von Lindos. Einfache, pauschale Regelung hier in Griechenland, junge Menschen, alte Menschen und behinderte/geschädigte Menschen betreten viele staatliche Institutionen kostenlos. Weltklasse. 

Am nächsten, späten Vormittag verlassen wir die „Rhodes Marina“ mit Ziel Insel Symi. Uns empfängt nach der Hafenausfahrt ein sehr ungemütlicher Waschkessel. Es ist kaum Wind, die See an der Nordspitze der Insel aber völlig verrückt. Von vorn laufender Schwell probiert einen Boogie mit quer laufenden Windseen, die aber flirten lieber mit den aus allen Richtungen kommenden Wellen der großen Pötte, und das sind viele.  Diese unglückliche Konstellation an der Nordseite der Insel ist sicherlich ein Grund dafür, dass die Marina Rhodos so „bewegt“ ist. Entschuldbar für einen so teuren, neuen Hafen ist das aber nicht. Das wusste man, bevor man die Marina gebaut hat. 30 Minuten werden wir ordentlich durchgerüttelt, nachdem das nördliche Ende der Insel aber weit genug hinter uns liegt beruhigt sich alles wieder. Wir brauchen nur 2 Stunden bis nach Symi, die Bucht ist fast leer. Anker ab, Anbiss, fertig. Den Rest des Tages geniessen wir ein nicht mehr schaukelndes Boot, lesen, freuen uns, wenn eine Schildkröte ihren Kopf aus dem Wasser streckt, essen irgendwas, trinken einen Sundowner und sind glücklich. Die Besichtigung des Klosters und der Kirche am kommenden Tag scheitert an der Tatsache, dass Sonntag ist und sehr viele, griechische Familien mit ihren Kindern zur Taufe hierher gekommen sind. Wir wollen nicht vergessen, dies ist ein Pilgerort. Wir lesen, gucken Schildkröten, ich koche Sofrito, Rindfleisch in Weißwein und reichlich Knoblauch gedünstet. Claudia sagt hhmm, Martha sagt hhmm, ich sage hhmm. Am kommenden Tag nehmen wir Kurs auf die Insel Tilos. Der Wind ist moderat, kommt zwar seitlich aber nicht zu stark. So segeln wir guter Dinge los und freuen uns auf das kommende Ziel, eine wenig bewohnte und eher unbekannte Insel. Klappt es dort mit dem Rotfeuerfisch? Soweit, so gut. Auf halber Strecke entscheidet sich aber das Meer, uns mal wieder zu zeigen, wie klein wir sind. Ich kann sie schon aus Nord-Westlicher Richtung anrollen sehen, windige Wutausbrüche mit weißen Schaumkämmen im Schlepptau. Keine 5 Minuten später erreicht uns der Gesandte und scheppert über unser Boot. Claudia sieht 31 Knoten auf dem Windmesser, ich sehe 28 Knoten, und das seitlich. Binnen weniger Augenblicke baut sich der Verbündete des Windes auf, die Wellen. Es wird ungemütlich. Martha strahlt und sagt, sie möchte jetzt nach vorn ins Trampolin gehen und alles hautnah erleben. Ich sage ihr, dass ich das bei diesen Bedingungen nicht möchte. „Warum nicht“ fragt sie. Eine Sekunde später steigt uns eine stattliche, seitliche Welle halb ins ins Boot und hat es auf Martha abgesehen. Nass bis auf die Haut beantwortet sich ihre Frage von selbst. Wir reffen das Segel, die Situation entspannt sich etwas, nachdem wir die Insel Tilos quer zu uns haben und die Windsee verschwindet. Aber der Wind selbst will sich nicht beruhigen. So erreichen wir unsere Ankerbucht bei 25+ Knoten Wind und starten eine ersten Versuch. Fehlanzeige. Zweiter Versuch, Fehlanzeige. Dritter Versuch, zum Glück beisst unser Anker nun an. Viel Kette und zur Beruhigung den zweiten Anker noch daneben gelegt. An Schnorcheln ist nicht zu denken, auch nicht daran, mit dem Beiboot an Land zu fahren: Freund/Feind Wind gibt uns bis tief in die Nacht zu verstehen, wer der Chef ist. Am nächsten Morgen hat er sich andere Opfer gesucht und wir erleben eine wunderbare, fast windstille Ankerbucht mit klarem Wasser. Schnorcheln, kein Rotfeuerfisch aber Plattfische an der Ankerkette, ein halbstarker Rochen und Meerbarben. Juhihu. Einst lebten auf der Insel Elefanten. Klingt schräg, ist aber so. Als die Inseln noch mit dem Festland verbunden waren gab es hier eine Population Elefanten. Kleiner als ihre afrikanischen und asiatischen Vettern, näher verwandt mit den asiatischen Verwandten. Als sich durch tektonische Verschiebungen ein Teil des Festlandes zu Inseln bildete blieben ein paar der Elefanten auf den Inseln zurück. Das beschreibt das „Elefantenmuseum“ auf Tilos, unser heutiges Ziel. Beiboot runter, genug zu trinken mitgenommen, ab geht die Fahrt. Der Weg zum Museum war echt beschwerlich. Es ging nur bergauf, kein Schatten, kein kühlender Wind nur Ziegen die uns verächtlich anstarrten. Aber irgendwann standen wir am Ziel, leider geschlossen. Eine Notiz an der Tür erklärte uns, dass wir uns den Schlüssel im Bürgermeisteramt holen können. Hallo, die Insel ist fast unbewohnt, wo bitte schön ist dann das Bürgermeisteramt?  Wir trösten uns mit Wachhaltern wie: „der Weg ist das Ziel“, finden einen aufgegebenen Hightech-Wanderstab und akzeptieren ihn als Entschädigung. So wandern wir den Weg zurück, immer noch skeptisch beäugt von unzähligen Ziegen. 

Wir haben Nord-Nord-West Wind, mittlerweile unberechenbar und genau aus der Richtung, wo wir hin wollen. Dass wir zu unserem nächsten Ziel mit 2.800 U/min. segeln müssen ist uns schon klar, nur wann? Für den kommenden Tag ist eine Zunahme des Windes angekündigt. Heute ist es ruhig. Wir besprechen uns und entscheiden, dass wir uns noch heute auf den Weg zu unserem letzten Ziel, der Insel Kos machen. Wenn wir flink genug sind, erreichen wir die Bucht vor Kefalos noch im Tageslicht. Anker auf, beide Maschinen freuen sich über ganz viel Diesel in der Einspritzanlage, los geht es. Wir fahren an Nisyros vorbei, schade, wie fahren an Gyali vorbei, schade, legen aber die 30 Meilen in nur 4 Stunden, 20 Minuten zurück und sind in Kos. Der Anker hält beim ersten Versuch und wir sind irgendwie zu Hause, so empfinde ich zumindest. Sind wir doch die letzten 8 Wochen immer in Rufweit der Insel geblieben und wartet dort unser Winter-Ferienlager auf uns. Übermorgen geht Marthas Flieger von hier aus zum BER und wir genießen die Aussicht, auf noch einen vollen Tag zusammen. Schnattern, Küsschen, Essen, Prost, gute Nacht liebes Martha, bis morgen. 

Wir genießen den kommenden Tag mit einem langen Frühstück, gehen baden, lesen, eben Dinge die man so macht, wenn man praktisch nichts macht. Nachmittags fahren wir mit dem Beiboot an Land, Martha sucht noch ein Mitbringsel wird aber nicht fündig. Es wird einfach zu viel Tinnef angeboten. Abends verziehe ich mich zeitig, damit die beiden nochmal in Ruhe schnattern können. 

Und schon sind die 10 Tage mit Martha schon wieder rum. Wo ist die Zeit hin, wer hat die geklaut? Per Taxi geht es zum Flughafen, die Gepäckabfertigung dauert nur 15 Minuten und nun heißt es Abschied nehmen. Ich mag solche Momente nicht sonderlich und kürze sie gern ab, so fällt mir das leichter. Die beiden brauchen natürlich länger ehe alle Tränen wieder getrocknet sind. Danke liebes Martha, das war eine sehr, sehr schöne Zeit mit dir. Nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub und außerdem sehen wir uns ja in 6-7 Wochen in old G. 

Am nächsten Mittag heben wir unseren Anker und fahren ca. 7 Meilen Richtung Nordost nach Kardamaina. Als wir ungefähr in Höhe unseres Zieles sind summt mein Handy: „ihr seid jetzt genau vor uns“ spuckt der Messanger aus. Unsere lieben Freunde Ulf und Gabi haben kurzentschlossen eine Woche Kos mit ihrem Sohn Laurence, meinem Patenkind, gebucht in der Hoffnung, dass wir uns irgendwie treffen können. Und ja, es klappt. Der Anker fällt etwas abseits vom Hotelstrand, Beiboot runter und ab geht es die paar Meter bis zum hoteleigenen Häfchen. Die drei stehen schon da und winken. Was eine Freude, haben wir uns ja seit 10 Monate nicht gesehen. Ich bin überrascht als ich Laurence umarme. In meiner Erinnerung reichte er mir bis zu den Schultern, nun ist es umgekehrt. Da die drei all In im Hotel gebucht haben belagern wir sofort die Strandbar. Es gibt so viele Neuigkeiten, so viel spannendes, lustiges und wunderliches zu berichten. Hat die deutsche Regierung in der Tat beschlossen, öffentliche Wärmequellen z. B. In Sporthallen einzurichten? Die Welt scheint irgendwie kaputt. 

Ein paar Weinschorlen später gehen die drei zum Buffet-Essen ins Hotel, wir zurück zum Butterbrot aufs Boot. Um 20.00 Uhr hole ich die drei ab und wir verbringen einen fröhlichen Abend bis tief in die Nacht bei uns an Bord. Nur zurück bringen kann ich sie nicht, man hab ich einen in der Krone. Claudia übernimmt souverän den Job, ich bin hin. 

Völlig überraschend ist der nächste Tag ein schlechter Tag für mich. Mir dröhnt der Kopf, überall Wolken und alles schaukelt irgendwie. Am Nachmittag haben sich die Wolken verzogen und wir treffen die drei am Strand. Tapfer schwöre ich zum hundertsten mal: „nie wieder Alkohol“. Wir treffen uns Abends in der Hotellobby, wow. Das Resort hört auf den Namen „Bello Royal“ und beeindruckt einfach nur. Vom Strand bis zur Lobby sind unzählige Pools terrassenartig angelegt, ich schätze über 5 Ebenen, alle hübsch unter Wasser beleuchtet. Die Anlage scheint neu und alles ist gepflegt und einfach nur todchic. Wir sitzen wieder bis tief in die Nacht und werden bestens mit Getränken versorgt. Meine Schwur von heute Nachmittag hielt genau 8 Stunden. Egal, wir freuen uns einfach so sehr darüber, das die drei ihren Urlaub extra hier verbringen, für uns. 

Am kommenden Tag treffen wir uns um 10.00 Uhr bei uns auf dem Boot, um einen Ausflug zur nahegelegenen Insel Gyali zu machen. Eigentlich hatten wir uns zu einem kleinen Segeltörn verabredet aber der Wind lässt uns schon nach 20 Minuten im Stich. Es ist zum heulen, entweder zu viel Wind oder zu wenig. Egal, wir lassen uns den Tag nicht vermiesen und tuckern eben gemütlich die 8 Meilen zur Insel. Die Insel ist praktisch unbewohnt, nur eine Mine baut dort Bimsstein ab. Das sieht man zwar, hört aber kaum etwas davon. Wir belagern die große Ankerbucht alleine, gehen schwimmen, Laurence testet eine unserer Ganzgesichtstaucherbrillen und ist begeistert. Die Dinger sind aber auch wirklich klasse, man atmet durch Mund und/oder Nase, hat ein sehr großes Sichtfeld und nichts beschlägt. Es gibt zwar nur ein paar Plattfische und ein paar Barben zu sehen aber das macht nichts, das Wasser ist türkis, der Sand weiß, das Seegras grün. Besser gehts nicht. Zum Mittag gibt es Wiener mit Salat und Brot. Einfaches Essen aber hier draußen schmeckt es doppelt gut. In zwei Touren fahren wir danach an Land und spazieren den ewig langen Strand entlang. Man findet Muscheln, Steine und Stöckchen für zu Hause. Wie nicht anders zu erwarten, hat der Wind zwischenzeitlich aufgefrischt und zwar genau aus der Richtung, wo wir wieder zurück müssen. Es ist zum heulen, entweder zu viel Wind oder zu wenig Wind und wenn, dann direkt von vorn. Und genauso verläuft unsere Rückfahrt. Hatten wir Vormittags gar keinen Wind, haben wir nun 20 Knoten von vorn. Schnell erscheint auch wieder der Verbündete des Windes, die Welle. So schaukeln wir kräftig die 8 Meilen zurück. Die Mädels wollen aber dennoch im Trampolin sitzen, auch wenn sie nach 20 Minuten schon ganz nass gespritzt sind. 

Abends treffen wir uns nochmal, leider das letzte Mal im Hotel. Morgen früh bringt ein Shuttle die Drei zum Flughafen und ihre Woche Urlaub ist schon wieder vorbei.

Es waren zwar nur 2,5 Tage die wir miteinander verbringen konnten aber die waren großartig. Wir haben jede Minute genossen und können guten Gewissens sagen, dass Freundschaften unbezahlbar sind. Danke ihr Drei. 

Leider hat uns das liebe Martha ihren fetten Infekt, Made in Germany, als Abschiedsgeschenk hinterlassen. Mich erwischt es ordentlich, Hasi wird nur gestreift. So liegen wir noch volle 3 Tage hier vor dem Hotel neben dem Strand ehe es mir ein bisschen besser geht. Wir konnten aber in den drei Tagen beobachten, wie sich ein buntes, lebendiges Urlaubsresort mit unzähligen Sonnenschirmen und -liegen, Jetskis, Tretbooten und dgl. in ein Nichts verwandelt. Binnen drei Tagen war alles abgeräumt, hier ist keine Menschenseele mehr am Strand. Nur ein Radlader schiebt unentwegt Sand am Strand hin und her. Saisonende. 

Nun auch für uns. Wir fuhren heute die letzten 19 Meilen bis zur „Kos Marina“, unserem Winterlager. Wir werden von einem freundlichen Mariner im Schlauchboot empfangen der uns fragt, ob wir lieber rechts oder links anlegen wollen. „Rechts und mit der Nase nach Norden“ ist unsere Antwort. So begleitet er uns im Schlauchboot zu unserem Liegeplatz alongside, hilft uns beim Festmachen und verabschiedet sich mit: „you are welcome“. Wir werden hier die kommenden 150 Tage bleiben, gut vertäut und ohne Blick auf den Wind. Wir freuen uns. 

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