Die Gewitterfront kam pünktlich und mächtig. Von Athen bis Izmir reichte sie über die gesamte Ägäis. 350 km breit wälzte sie sich von Südosten nach Nordwesten. Da ich mich bis zum Beginn unserer Reise nie mit Wetter beschäftigt habe kann ich nicht beurteilen, ob so eine Front hier als „normal“ gilt. Ich empfinde sie als gewaltig und irgendwie beunruhigend. Das Mittelmeer ist auf Grund der langanhaltenden, hohen Temperaturen überdurchschnittlich aufgeheizt, Meteorologen warnen deshalb regelmäßig vor der Gefahr, dass schwere Unwetter auftreten können.
Zum Glück streift sie uns aber nur und wir sehen es die ganze Nacht hindurch überall blitzen.
Am nächsten Morgen, den 25.08.2022 beschließen wir für uns, dass die Gewitterfront abgezogen ist. So heben wir den Anker und machen uns auf den Weg zur weiteren Etappe Richtung Kos. Uns trennen noch ca. 165 nautische Meilen (300 km) von unserem Ziel. Nächster Stopp soll für uns die Insel Mykonos oder eine der beiden kleinen, im Südwesten von Mykonos gelegenen Inseln sein. Entfernung ca. 60 Meilen, dafür brauchen wir 10 – 12 Stunden. Wir kommen gut mit Wind aus Südwest und 6-7 Knoten Fahrt aus dem Saronischen Golf und erreichen die Ägäis. Gegen zeitigen Nachmittag wollen wir zwischen den Inseln Kea und Kythnos hindurch segeln, sehen aber von weitem schon eine riesige, dunkle Wolke über beiden Inseln. So nehmen wir die Segel herunter und beschließen, per Motor zwischen den Inseln hindurch zu fahren. Grund ist unsere Befürchtung, dass die Wolke sich als Gewitter zu erkennen gibt und uns starken Wind durch die Düse zwischen den Inseln beschert. Gut so gedacht. Die Wolke war zwar kein heimliches Gewitter aber der Wind pfeift uns zwischen den Inseln um die Ohren, garniert mit Regen. Nach etwa einer Stunde sind Düse und Wolke hinter uns und wir setzen wieder Segel. Der Wind kommt wieder aus der richtigen Richtung und wir machen gut Fahrt. Gegen frühen Abend sehen wir Mykonos aber die Entfernung lässt vermuten, dass wir vielleicht im Dunkeln ankommen werden. Also Motor an und schneller werden? Nö, wir beschließen kurzerhand nicht in Mykonos vor Anker zu gehen sondern die Nacht durchzusegeln.
So lassen wir Mykonos im letzten Tageslicht „links“ liegen und segeln in unsere 11. Nacht. Anscheinend ist die Insel darüber beleidigt und formt über ihren Bergen nun doch eine große, schwarze Gewitterwolke, welche sich exakt in unsere Richtung bewegt. Ihre offenbar verbündete Insel Naxos tut es ihr gleich und lässt ebenfalls eine schwarze, donnernde Wolke aufsteigen. Das ist nicht gut. Rings um uns blitzt und donnert es in einem fort, wir zählen die Sekunden zwischen Blitz und Donner um abschätzen zu können, wie weit die Gewitter entfernt sind. Da es dauernd aus allen Richtungen blitzt können wir am Ende gar nicht zuordnen, welcher Donner zu welchem Blitz gehört. So beschließen wir, schneller als die Wolken zu sein und vor ihnen davonzufahren. Motor an und so machen wir in Kombi mit dem gesetzten Segel gut 8 Knoten Fahrt. Bange zwei Stunden verharren wir sehr angespannt im Cockpit. Wir sind tatsächlich schneller und der Abstand zwischen uns und den Gewittern wird größer. Puh, Glück gehabt.
Im Morgengrauen passieren wir die Insel Levitha und können ein paar Stunden später, dank guter Sicht und Sonnenschein die Insel Kos voraus erkennen.


Der Wind bleibt uns bis fast bis zum Erreichen der Insel am zeitigen Nachmittag des 26.08.2022 erhalten und so starten wir erst mit Umrundung des südwestlichen Zipfels der Insel einen Motor. Noch 1,5 Stunden, dann erreichen wir unser Ziel, die Bucht vor der Stadt Kefalos. Der Wind meldet sich zurück und wir können die letzten Meilen sogar noch segeln. Gegen 16.00 Uhr fällt unser Anker vor einer wieder malerischen Kulisse: hohe Felsen mit kargem Bewuchs, vereinzelt stehen hohe Bäume zwischen denen Ziegen frei herumlaufen, klares Wasser und die Stadt Kefalos wirkt ruhig und entspannt. Wir sehen keine Bettenburgen, überhaupt sind nur flache Gebäude zu erkennen, Strand soweit das Auge reicht, schön.


Wir gönnen uns einen „Anleger“ und freuen uns, dass wir die 410 Meilen zwischen Korfu und Kos gut zurückgelegt haben. Noch einen Anleger, danke du momentan freundliches Mittelmeer. Noch einen Anleger, Claudia schläft schon, ich auch gleich.
Am nächsten Tag fahren wir mit unserem Beiboot an Land und füllen unsere Vorräte wieder auf. Es tut immer wieder gut, festen Boden unter den Füßen zu haben. Am Abend treffen wir meinen Bruder, seine Frau und deren zwei Freundinnen (der Kerl ist tatsächlich mit drei Frauen angereist) bei „Maria“, einer Taverne. Die Wiedersehensfreude ist natürlich groß, liegt das letzte Treffen fast 10 Monate zurück. So gibt es viel zu erzählen, wir freuen uns Geschichten aus der Heimat zu hören und haben einen sehr schönen Abend.

Am nächsten Tag treffen wir uns am Strand so wie es sich hier gehört: zwei Strandliegen mit Sonnenschirm, Sonnencreme, Sonnenbrille und Co.
Freunde, man kann sich nicht vorstellen, wie wir das genossen haben. Eine völlig entspannte Zeit, ohne Planung, ohne Wettersorgen, täglich an Land mit Dosenbier und Bildzeitung, abends in einer der vielen Restaurants lecker essen, danach noch ein oder zwei Absacker auf der Terrasse des Appartements meines Bruders. Himmlisch. Einzig der tägliche Rückweg spätabends zum Beiboot ist etwas anstrengend. Aber so kommen wir wenigstens auf unsere täglichen 10.000 Schritte.
An einem Tag unternehmen wir eine Segelausflug auf unserem Boot. Ein Experiment für unsere neuen Mitsegler, haben sie ja noch nie ein Segelboot betreten. Entsprechend groß ist die Aufregung, wie läuft das ab, werden jetzt alle seekrank, erwarten uns hohe, tobende Wellen, sehen wir Delphine? Und überhaupt, ist das Boot wirklich dicht? Vorsichtshalber kleben sich unsere Gäste Pflaster gegen drohende Seekrankheit und freuen sich über die spürbare Wirkung. Auch das war wieder ein sehr schöner Tag mit passendem Wind und Wellen, die noch als „das macht Spaß“ gelten. Es hat allen gut gefallen und brachte für unsere Gäste die Erkenntnis, dass segeln gar nicht so ist wie angenommen sondern ganz anders, aufwändiger und irgendwie ja doch Arbeit.



Die Woche ist viel zu schnell vorbei und so verabschieden wir uns am Samstag den 03.09.2022 schon wieder von einander. Zwei Bildzeitungen finden sogar ihren Weg zu uns an Bord.
Petra wird im kommenden Mai ihren runden Geburtstag hier in Kefalos feiern. Und so trösten wir uns damit, dass nach dem Treffen vor dem Treffen ist. Wir freuen uns schon jetzt auf Mai 2023.
Einen Tag später meldete sich wieder eine Starkwindfront für Montag an. Hier in der Ägäis heißt so eine Formation „Meltemi“ was soviel wie Brise, sanfter Wind heißt. Ein nicht wirklich passender Name für ein Wettergebilde, welches uns mal wieder mit Wind bis zu 35 Koten, Windstärke 8 ans Boot fesselt. Fräulein „sanfter Wind“ bleibt uns bis heute, Donnerstag erhalten.

Neben uns ankern Jens und Dörte, ein deutsches Paar aus Kiel. Sie klopfen auch gleich am Tag ihrer Ankunft bei uns an um „Hallo“ zu sagen. Hätten sie es nicht getan, hätten wir geklopft. So viele deutsche Flaggen sind hier im Mittelmeer dann doch nicht an Booten zu sehen und so freut man sich natürlich immer, einen Landsmann zu treffen. Und wenn sie dann noch so ausgesprochen angenehm wie die Beiden sind, ist die Freude umso größer. Jens und Dörte segeln seit nunmehr drei Jahren durchs Mittelmeer und haben entsprechend viele Erlebnisse, Erfahrungen und gute Ratschläge für uns. Unbezahlbar. So verbringen wir viel Zeit miteinander, lauschen ihren Geschichten, essen zusammen und gönnen uns einen Sundowner. Gestern, Jens hatte noch einen Mietwagen für einen Tag, lud er uns auf einen kleinen Ausflug über die Insel ein. Dabei besuchten wir unter anderem den Plaka Forest, den Pfauenwald. Das ist ein Pinienwald von ca. 30 ha Größe in dem Dutzende, recht zutrauliche Pfauen mit ihren Kücken leben. Inmitten des Waldes betreibt die Organisation „Kittys of Kefalos“ aus Spendengeldern eine kleine Katzenpension. Auch die Katzen können sich frei im Wald bewegen und so leben Pfauen und Katzen munter nebeneinander. Da Katzen ja eigentlich „mörderische Miezen“ sind stellte sich für uns die Frage, ob nicht das eine oder anderen Pfauenkücken einen frühzeitigen Tod findet. Wer weiß, die Katzen machten auf uns allesamt einen glücklichen und vor allem satten Eindruck. Nebenher leben in einem kleinen Teich Schildkröten.



Da wir von Kos nun noch nicht wirklich viel gesehen haben werden wir uns morgen einen Mietwagen besorgen und die Insel erkunden. Wir freuen uns schon drauf und hoffen, dass unsere netten Nachbarn auch noch ein paar Tage hier bleiben.