Am 18.08. gegen 09.00 Uhr lösen wir die Leinen im Hafen von Itea. Ich schmachte etwas beim Auslaufen aus diesem großartigen Hafen, hat er uns doch über drei Tage einen sicheren Platz gewährt, drei Tage keine Sorgen. Wen es interessiert, unser Aufenthalt in Itea kostete uns 18 € pro Tag, in der Marina Mandraki auf Korfu 70 € pro Tag, im Hafen von Gouvia auf Korfu hätten wir 135 € pro Tag berappt. Schon irgendwie ein schwer zu durchschauendes Wirrwarr der Preispolitik. Nachdem wir wieder links in den Golf von Korinth abgebogen sind, begrüßt uns der Wind mit freundlichen 12-15 Knoten von hinten. Immer noch beste Bedingungen um unsere Reise weiter Richtung Kos fortzusetzen. Unser heutiges Ziel heißt Korinth, der Kanal von Korinth, eine künstlich hergestellte Verbindung zwischen dem Golf von Korinth und dem Saronischen Golf. Die Idee, dort eine künstliche Durchfahrt zu schaffen reicht bis in die Antike zurück. Allerdings sind alle unternommenen Versuche frühzeitig abgebrochen worden. Das Ausmaß der zu bewältigenden Felsmassen war einfach zu hoch. Immerhin musste man auf einer Strecke von 6.350 Metern bis zu 84 m tief graben bei einer gewünschten Breite von ca. 25 Metern. Erst die Erfindung des Dynamits und die zunehmende Industrialisierung Ende des 18. Jahrhunderts schaffte die technischen Vorraussetzungen, um dieses Projekt von 1881 bis 1893 zu realisieren. 1944 von der deutschen Wehrmacht zerstört, wurde der Kanal nach Kriegsende wieder aufgebaut. Heute gibt es immer wieder Erdrutsche und Gesteinsabbrüche die zeitweise Sperrungen des Kanals verursachen. In diesem Jahr ist der Kanal nur von Mai bis Oktober geöffnet, danach sind wieder Reparaturarbeiten notwendig.
Ich rufe die „Canal Authority“ ca. 2 Stunden vor Erreichen der westlichen Einfahrt über Funk an, gebe Schiffsnamen und Schiffsdaten durch und hoffe, eine Zeit genannt zu bekommen, wann wir den Kanal passieren können. Der Kanal ist eine Einbahnstraße und wer wann in welche Richtung hindurch fährt, wird von der Kanalbehörde festgelegt. Ich bekommen aber nur zur Antwort, dass ich mich im nördlichen Wartebereich vor der Einfahrt aufhalten und auf Kanal 11 empfangsbreit sein soll. Kein guter Anfang, wer weiß wie lange wir dort warten müssen und ob die Behörde uns vielleicht einfach vergißt. Parrallel zu uns fährt ein Frachtschiff mit wahrscheinlich dem selben Ziel wie wir. Meiner Schätzung nach müsste das Schiff durch den Kanal passen. Je näher wir der Einfahrt kommen umso dichter kommt uns der Frachter, logisch. So nehmen wir Segel weg und Fahrt aus dem Schiff, um den Frachter vor uns in Richtung Einfahrt fahren zu lassen. Als wir uns unmittelbar vor der Einfahrt darauf vorbereiten, im nördlichen Sektor vor Anker zur gehen, ruft uns die Behörde über Funk an und teilt uns mit, dass wir direkt hinter dem Frachter in den Kanal einfahren sollen. Glück für uns, keine Wartezeit, man hat uns nicht vergessen. Möglich, dass man über Kameras gesehen hat, dass wir mit dem Frachter gleichauf sind. So passieren wir in einem Abstand von ca. 200 m hinter dem Frachter die westliche Einfahrt und freuen uns auf das nun folgende Highlight, unserer Kanaldurchfahrt.

Schon irre, welche Dimensionen diese künstliche Durchfahrt hat. Durchschnittlich 75 m ragen die Felsen auf beiden Seiten steil empor. Auf den Brücken stehen viele winkende Leute. Später sehen wir, dass es extra dafür eingerichtete Aussichtspunkte gibt, die man gegen Bezahlung betreten kann.
Am Ende des Kanals werden wir von einem winkenden Mitarbeiter der Behörde aufgefordert, genau an dieser von ihm angezeigten Stelle festzumachen. So geschehen, gehen wir in den Tower um die Formalitäten zu klären und zu bezahlen. Ja, die Durchfahrt ist nicht kostenlos. Der Kanal gilt als die teuerste Seestraße der Welt, bezogen auf seine Länge. Laut Internetrecherche müssten wir 156 € (Stand April 2022) für die Passage bezahlen. Eine Menge Geld für 25 Minuten Durchfahrt, erspart sie uns aber drei volle Segeltage die wir bräuchten, um den Peloponnes zu umrunden. Der Mann an der Kasse nuschelt etwas von 184€, okay, haben wir uns verrechnet oder die Preise sind nochmal geändert worden. Visacard auf den Automaten, fertig. Wir schlendern noch etwas durch das Gelände, beobachten andere Boote beim Auslaufen und nehmenden das Angebot an, direkt aus einem Tankwagen Diesel zu beziehen.


Nach etwa 45 Minuten seit Ankunft lösen wir unsere Leinen und fahren in die unmittelbar neben der Einfahrt gelegenen Ankerbucht. Ein Versuch und unser Anker sitzt bombenfest im Sandboden. Geschafft. Die Bucht ist nicht unattraktiv wird aber eher als Transitstelle vor oder nach der Kanalpassage benutzt. Das Ufer ist von einem weiten Sandstrand gesäumt hinter dem sich unmittelbar die Autobahn befindet. Der Strand ist fest in griechischer Hand, keine Touristen. So lassen wir den Tag mit einem Sundowner zu Ende gehen und freuen uns auf die für morgen geplante Besichtigung der „ancient side of Corinth“ (alter, antiker Teil der Stadt). Beim Einsortieren der Rechnung von der Kanalpassage noch eine böse, heftige Überraschung: 284 € stehen da drauf. Auweia, das ist ein ordentlicher Schluck aus der Pulle. So ist der Kanal von Korinth mit Abstand die teuerste Durchfahrt der Welt. Noch einen Sundowner, dann geht es wieder.
Nach dem Frühstück, Souvlaki mit Pommes, Salat und Cola in der Canaltaverne nehmen wir uns ein Taxi und fahren zur Ausgrabungstätte. Eine Busverbindung gibt es hier leider nicht und so genießen wir die Fahrt im gekühlten Taxi.
Korinth, erstmals im 10. Jh. vor Chr. erwähnt stellte in der klassischen, griechischen Antike ein wichtiges Handelszentrum dar. Dank des Verkehrs und des Handels über die Landenge florierte die Stadt und hatte bis zu 90.000 Einwohner. Korinth als Stadtstaat pflegte Handelsbeziehungen zu anderen Stadtstaaten wie Athen, Theben und Sparta und galt als eine der reichsten Städte der Antike. Gleichzeitig war Korinth ein Zentrum des Aphroditekults, heute noch zu erkennen an den Überresten des einst mächtigen, Aphrodite geweihten Tempels.
Aber wie es eben in der Antike so war, überwarf man sich aus Neid und Missgunst mit anderen Stadtstaaten, bildete Bündnisse mit anderen Städten und bekriegte sich. So besiegte in einem offenen Krieg Korinth den Stadtstaat Athen. Die wiederum waren darüber gar nicht glücklich und versenkten die Flotte Korinths in einer großen Seeschlacht, was wiederum zum Ausbruch des Pelopponesichen Krieges führte. Später hat man sich wieder vertragen und unter der Führung Argamemnons gemeinsam gegen Sparta gekämpft. Dann kamen irgendwann die Makedonen und beanspruchten die Stadt für sich. Alexander der Große spielte eine zeitlang eine wichtige Rolle in der Geschichte Korinths, bis die Römer die Makedonier vertrieben. Da die Korinther aber auch darüber nicht glücklich waren und im Bündnis einen Krieg gegen Rom begannen, wurde die Stadt 146 v. Ch. von den Römer zerstört und die Einwohner versklavt. Ende der Geschichte des antiken Korinths.
















Wir bleiben noch einen weiteren Tag an unserem Ankerplatz um auf besseren Wind zu warten. Der kommt dann auch am Sonntag den 21.08. und wir brechen auf, zu unserem nächsten Etappenziel: Kap Sounion, die letzte Ankermöglichkeit im Saronischen Golf, 70 km von Athen entfernt, bevor wir die Ägäis erreichen. Die Überfahrt beschert uns anfangs wieder guten Wind aus der richtigen Richtung, der im Laufe des Tages nachlässt, um gegen Spätnachmittag sich mit neuem, frischen Elan zu melden. Leider nur aus genau der falschen Richtung. Man kann so etwas nicht glauben, wenn man es nicht erlebt hat. Binnen zwei Stunden dreht der Wind um 180 Grad und klopft uns nun mit bis zu 20 Knoten direkt auf die Nase. Weichen wir nach links aus, landen wir in Athen, weichen wir nach rechts aus, segeln wir direkt in die Ägäis und die nächste Möglichkeit dort festzumachen ist 10-12 Stunden entfernt. Im Dunkeln irgendwo ankommen? Niemals, wenn es sich vermeiden lässt. Also kneifen wir alles zusammen was zu kneifen ist und fahren da durch. So schnell wie der Wind zugenommen hat, so schnell baut sich auch die unangenehme See auf. Unsere Büge heben ab, um im nächsten Moment tief in das Wellental zu krachen, Wasser spritz über das Vorschiff, Kaimiloa ächzt und knarzt mit jedem Sprung über die Welle. Im Inneren fliegt Geschirr durchs Boot und überlebt den Aufprall nicht. So eine Sch …., wer jetzt hier auf dem Boot unterwegs ist ohne sich festzuhalten fliegt von den Beinen. Wir queren dummerweise auch noch ein sogenanntes Verkehrstrennungsgebiet, eine Art Autobahn auf dem Wasser. Diese Autobahn benutzen Frachter, Fähren, Kreuzfahrer und andere große Pötte nach und von Athen. Wir müssen es im möglichst rechten Winkel queren, so ist es Vorschrift. Wind von vorn, Welle von vorn und kein Kurswechsel möglich. „Wie lange müssen wir das noch ertragen“ frage ich Claudia. „Drei Stunden“ meint sie, mittlerweile mit guten, navigatorischen Fähigkeiten ausgestattet. Ich könnte heulen. Wollen wir aber nicht vergessen, dass wir bis hier her sehr vom Wind verwöhnt wurden. Der Wind nimmt immer weiter zu, die Wellenhöhe proportional dazu auch. Nachdem wir nach einer gefühlten Ewigkeit die Autobahn endlich gequert haben können wir etwas nach rechts abfallen. So kommen die Wellen nichtmehr direkt von vorn. Hilft schon. Die Lage entspannt sich aber erst, als wir zwischen der kleinen Insel Patroklos und dem Festland hindurchfahren. Geschafft, wir können unseren Ankerplatz schon sehen und leider auch die Unmengen an Masten die sich dort zeigen. Zum Glück gibt es einen Plan B. Ca. eine halbe Meile vor unserer ausgesuchten, überfüllten Bucht gibt es ein andere Bucht und die ist völlig leer. Das verstehen wir nicht mehr. Warum zwängen sich so viele Boote in eine Bucht, wenn doch einen Steinwurf entfernt so viel Platz ist? Ich denke es ist wieder die Symbiose aus Taverne und Beschreibung im Revierführer, als eine der schönsten Buchten. Ist sie zweifelsfrei auch. Aber unsere ist noch schöner. Wir haben einen ewig weiten Strand vor uns, flankiert von hohen Felsen die mit wenigen, ausgesprochen hübschen Häusern bebaut sind. Und den Blick auf den Nachts beleuchteten Poseidon Tempel in der Nachbarbucht haben wir hier auch. Ätsch. Drängelt ihr euch mal wie die Ölsardinen in der Dose. Der Lebensmittelmarket ist übrigens auf unserer Seite der Bucht. Nochmal ätsch.

Nächster Morgen, platsch Badeleiter ins Wasser, wir hinterher. Freunde, das ist immer wieder Entschädigung für vieles. Morgens direkt aus der Koje ins klare Wasser, was im Übrigen gut 25 Grad hat. Unbezahlbar. Frühstück, Beiboot runter und an Land gefahren. Hier in der Bucht hat es sogar einen kleinen Hafen, wo wir völlig geschützt vor Wind und Wellen unser Beiboot auf den Strand ziehen können. Nochmal ätsch.
Wir machen uns auf den Weg zum Poseidontempel, ca. 1 h 15 min. zu Fuß entfernt. Das Laufen tut uns gut, sehen wir viel von der Umgebung und haben so manch schönen Blick aufs Meer. Einzig der Weg als solcher, eine asphaltierte Straße ist nicht der Burner aber was soll´s, die Landschaft ist schön. Der Poseidontempel, 490 v. Chr. errichtet war in der Antike eine Stätte, zu der Seeleute reisten um Poseidon um eine gute Überfahrt zu bitten. Seefahrer als auch Stadtstaaten brachten geweihte Gaben in den Tempel, um Poseidon um seine Gunst zu bitten. So stellten die Athener nach dem Sieg über Xerxes ein von ihm erbeutetes Kriegsschiff als Weihgabe am Cap Sounion auf. Im Laufe der Jahrhunderte entstand eine Siedlung mit Hafen und Sklavenmarkt um den Tempel. Heute stehen noch ein paar Säulen des Marmortempels, die Siedlung ist bis auf ihre Grundmauern verschwunden, wurde wahrscheinlich abgetragen und als Baumaterial nach Athen gebracht.


Am Fuße des Tempels heisst es für uns dann Stop in einer der beiden Tavernen. Essen ist mittel, Bedienung lahm wie eine Schnecke, aber der Ausblick in die Bucht (jetzt nicht überfüllt, erst gegen Spätnachmittag wieder) ist toll. Und so machen wir uns am Nachmittag auf den Rückweg, sind erstaunt, wie ordentlich, gepflegt und irgendwie modern der kleine Ort ist vor dem wir ankern, erstehen noch ein paar Kleinigkeiten im Minimarket und fahren zurück zu unserer Kaimiloa. Eigentlich wollten wir morgen aufbrechen, um die nächste Etappe unserer Reise nach Kos anzutreten. Der Wetterbericht sagt aber gar keinen bzw. Wind von vorn an. Erst am Mittwoch soll es besseren Wind geben. Also bleiben wir noch einen weiteren Tag hier. Dummerweise haben sich zu dem ungünstigen Wind nun auch große Gewitterfronten gesellt, die sich innerhalb der kommenden Tage genau da austoben, wo wir hin wollen.

Sollte sich daran nichts ändern, werden wir wohl hier bleiben bis sich die Fronten verzogen haben. Wir haben von den schweren Unwettern auf Korsika mit vielen Toten gelesen. Das Mittelmeer ist noch immer aufgeheizt, zum baden perfekt, für Wetterextreme allerdings auch. Es gibt keinen Grund für uns, durch solch ein Wetter hindurch zu fahren. Wir warten ab.