06.07.2022 weiter Richtung Griechenland

Was sind wir froh, als wir den Golf von Neapel verlassen. Auf dem Weg aus dem Golf werden wir von Unmengen Müll im Meer begleitet, Styroporbehälter, Plastik in allen erdenklichen Formen, Luftmatratzen, Schwimmringe …. Wir wissen alle, um das Problem der zunehmenden Verschmutzung der Meere durch Plastik, wenn man es mit eigenen Augen sieht tut es einfach nur weh. Aber es hat keinen Zweck davor wegzulaufen, das Ausmaß ist schon viel zu groß. Jährlich gelangen zwischen 8 und 12 Millionen Tonnen Plastik in die Meere. Bis zu dessen völliger Zersetzung vergehen hunderte von Jahren in denen es in immer kleinere Partikel zerfällt, zu Mikroplastik. Und es gibt keine Lösung für dieses Problem, außer man schafft Plastik rigeros ab. Undenkbar. Auf einen verantwortungsvollen Umgang brauchen wir nicht zu hoffen, da es mangels Aufklärung noch nicht überall angekommen ist. Es gibt zu viele Leute die noch immer denken, das bisschen ist doch nach einer Woche weg.

Wir laufen nach 6 Stunden und 33 Nm die Bucht unterhalb der Stadt Amalfi an. Die ist nicht nur sehr schön anzusehen sondern gleichzeitig Namensgeber für eine der schönsten Küstenregionen Süditaliens, die Amalfiküste.

Das Ankern erweist sich dort als schwierig, da es nur einen schmalen Streifen Flachwasser unmittelbar an der felsigen Küste gibt, bevor der Meeresboden rapide abfällt. Da dieser Küstenstreifen sehr beliebt ist, ist die Dichte an Booten entsprechend hoch. Nachdem wir ein paar Runden gedreht haben finden wir unseren Ankerplatz mit bestem Ausblick auf die Kulisse der Stadt. Allerdings fahren Unmengen an Motorbooten bis tief in die Nacht hin und her, deren Wellen uns immer schaukeln lassen. Für mich auch so ein Ding völligen Unverständnisses, warum viele Motorbootfahrer glauben, mit Vollspeed zwischen ankernden Booten hindurchfahren zu müssen. Am nächsten Morgen heißt es zeitig Anker auf, um die nächste Etappe zu bewältigen: 51 Nm weiter südwärts nach Palinuro. Es gibt nicht besonders viele Ankerplätze an Italiens Südwestküste, die guten Schutz gegen den derzeit vorherrschenden Nordwind bieten. So richten sich unsere Etappen nach Erreichbarkeit dieser Plätze. Als wir in die Bucht einlaufen überrascht uns eine filmreife Kulisse. Eine massive Felsformation thront in der Mitte der Bucht an deren Fuß sich kleine Höhlen und Strände befinden. Links und rechts des Massives säumen weitere Strände die Bucht.

Es braucht allerdings mehrere Versuche und Platzwechsel ehe unser Anker Sandboden findet und hält. Auch wenn es fast windstill ist und kein starker Wind für den kommenden Tag angekündigt ist, sind wir erst zufrieden, nachdem 50 m Kette gesteckt und der Anker mit beiden Maschinen in Rückwärtsfahrt eingegraben ist. Zum Glück. Wir sehen noch zwei andere Boote abends in die Bucht einlaufen, die sich nicht die Mühe machen. Anker ab, 20 m Kette ausrasseln lassen, fertig. Gegen 05.00 Uhr morgens überrascht uns ein Inferno der besonderen Art. Uns wecken erst ein paar Regentropfen, im nächsten Moment bricht ein Unwetter über die Bucht herein, welches ich so noch nicht erlebt habe. Der Windmesser zeigt 50 Kn, Windstärke 10, dunkeldunkeldunkellila. Es blitzt und donnert als stolpere Zeus sturzbetrunken durch den Olymp und wirft dabei alles um. Regen fegt waagerecht durch unser Cockpit, binnen einer Minute sind wir nass bis auf die Haut. Unser Dach schützt uns ja nur gegen Regen von oben aber eben nicht gegen Regen, welcher sich horizontal bewegt. Und wir sehen drei Boote durch die Bucht treiben, deren Anker nicht gehalten hat. Zwei waren die Spätankommer vom Abend vorher. Zum Glück fegte der Wind ablandig über die Bucht, so dass genügend Raum nach hinten für die Unglücklichen blieb. Nach etwa 30 min. ist der Spuk vorbei und die Sonne lugt hervor, als wäre nichts gewesen.

Der Schreck über das Unwetter saß uns noch einen Moment im Nacken

Am Vormittag erfahren wir im www, dass Italien schon seit einer Woche von schweren Unwettern gepeinigt wird, welche etliche Schäden angerichtet haben. Wir hatten diesmal Glück, ausser einer nicht verschlossenen Luke gab es nichts. Bei unserem Nachbarboot wurden mehrere Eimer Wasser aufgewischt. Wir bleiben den Tag in der Bucht, da der Wind sich schlafen gelegt hat und erst am kommenden Tag wieder aufstehen soll. Wir hatten eigentlich vor, den Stromboli, Italiens aktivsten Vulkan zu besuchen. Von uns aus ist er etwa 12 h entfernt. Es gibt im Nordosten des Vulkans ein Bojenfeld, an dem man festmachen kann. Aber genau aus der Richtung soll der Wind ab morgen mit 20-25 Kn wehen. Es gibt auch immer wieder die Empfehlungen, die Insel nur bei gutem Wetter, sprich schwachen oder gar keinen Winden anzulaufen. Im Süden der Insel kann man zwar auch ankern, aber dann ist das Boot am nächsten Tag voller Asche. Aber auslassen wollen wir ihn auch nicht. So entschließen wir uns, am kommenden Tag, Spätvormittags auf den Weg Richtung Vulkan zu machen, so dass wir ihn gegen Mitternacht erreichen werden. Da wir ihn nicht anlaufen können wollen wir ihn wenigstens im Dunkeln an seiner Nordwestseite passieren. Da, wo die meisten Eruptionen sichtbar sind und die Lavaströme sich ins Meer ergießen. So er denn will. Am Ende ist es ein Lotteriespiel, ob wir etwas zu sehen bekommen oder nicht. Die Überfahrt zum Stromboli ist deftig. Die angekündigten 20 – 25 Kn Wind erleben wir tatsächlich, wenn diesmal auch wieder ungemütlich. Wellenhöhe ist direkt proportional zur Windstärke, zumindest auf offener See. So erreichen die Wellen gegen Abend eine für mich besorgniserregend Höhe. Dieser Punkt ist dann erreicht, wenn die Wellen höher sind als unser Cockpit hoch ist. Heißt, hinter uns türmt sich Wasser so hoch auf, dass der Horizont nicht mehr zu sehen ist. Und sie kommen nicht direkt von hinten sondern mehr aus schräg rechts. Zwar wird das Boot mit der Welle angehoben, aber zwei schaffen es trotzdem, ihr brechendes Wasser über das Boot zu schütten. Und der schräge Winkel der Wellen schiebt dauernd an den Rudern unseres Kats und dreht ihn aus dem Kurs. Einziger Trost, gegen 05.00 Uhr soll der Wind wieder nachlassen und entsprechend beruhigt sich auch die See wieder. Wir haben so gute Sicht an dem Tag, dass wir den Vulkan schon aus 40 Meilen (73 km) mit bloßem Auge erkennen können.

Jetzt ist er noch etwa 14 Meilen entfernt.

Da wir auf Grund des deftigen Windes gut vorangekommen sind, erreichen wir den Stromboli schon 1,5 Stunden früher als geplant. Wir verkleinern die Segelfläche, um langsamer zu werden und starren nun wie gebannt auf den, dank Vollmond, gut zu erkennenden Kraterrand. Es gibt eine Sperrzone auf der Nordwestseite von 2 Meilen (3,7 km) die man nicht durchfahren darf. Schade. Ich habe gelesen, dass dieser Bereich mit Kameras überwacht wird und so halten wir uns an den Abstand. Leider hat der Vulkan keine wirkliche Lust uns zu begrüßen. Nichts Eruption, nichts Lavastrom so sehr wir unsere Augen auch anstrengen. Zum Heulen. Das hat er dann wohl mitbekommen und uns im fast letzten Moment doch noch zu gewunken. Auf Vulkanart eben.

… und uns im fast letzten Moment doch noch einen Gruß schickt.

Glücklich über den feurigen Wink des Berges setzen wir wieder mehr Segel, umrunden den südlichen Teil der Insel und setzen unsere Fahrt in Richtung Straße von Messina fort.

Rotes Licht in der Nacht stört nicht die mühsam erarbeitete „Nachtsichtigkeit“.

Dort machen wir zum ersten Mal bei einer Nachtfahrt eine sehr sonderbare Erfahrung. Wir können das nächtliche Lichtermeer der Städte rund um die Einfahrt in die Meerenge natürlich schon aus großer Entfernung erkennen. Wir können aber auch auf unserem AIS (elektronisches System, das andere Schiffe mit Fahrtrichtung anzeigt) und auf unserem Radar einen großen Frachter von mehr als 400 m Länge erkennen, der sich nur 1,5 Meilen entfernt auf uns zu bewegt und uns mit 800 m Abstand passieren wird. Nur wo ist der? Wir können ihn nicht sehen, nicht mit bloßem Auge und nicht mit Fernglas. So einen Riesenpott muss man aber sehen, gerade weil er so dicht ist. Spinnen unsere Geräte, spinnen wir, spinnt der Frachter und fährt ohne Lichter? Ehe wir eine Antwort haben taucht er direkt neben uns auf und passiert uns in 800 m Entfernung. Was war das? Nachdem uns das noch ein zweites Mal in dieser Nacht passiert ist wissen wir nun die Antwort. Wenn ein Schiff sich direkt auf uns zubewegt und im Hintergrund leuchtet das Lichtermeer einer Stadt, dann sind die Lichter des Schiffes ein paar wenige unter tausenden anderer Lichtern. Nicht zu erkennen. Praktisch der weiße Punkt auf weißem Hintergrund. Beunruhigendes Erlebnis.

Wir erreichen die Straße von Messina gegen 06.00 Uhr und freuen uns über den Sonnenaufgang und den wenigen Verkehr.

Überrascht sind wir von der Heftigkeit, der derzeitig vorherrschenden Nord-Süd-Strömung. Das Wasser des Ionischen Meeres (Süden) hat eine größere Dichte als das des Tyrrhenischen Meeres (Norden). So gibt es eine dauerhafte Strömung nach Süden. Bei ca. 30m Tiefe herrscht allerdings eine Strömung an der Oberfläche in entgegengesetzter Richtung, die wiederum aller 6 Stunden die Richtung wechselt. Verrückt oder? Wir hatten jedenfalls Nord-Süd-Strömung, also mit uns und hatten das Gefühl, dass das Wasser an den 30 m Stellen kocht. Die Straße von Messina stellt nicht nur eine Verbindung zwischen dem westlichen und östlichen Mittelmeer dar, sie ist auch Wiege und Kindergarten unzähliger Meeresbewohner. Man findet dort eine sehr hohe Biodiversität und sie gilt als ein Paradies für Zoologen. Und da man dort oft ausschließlich große (weibliche), weiße Haie sichtet glaubt man, dass sie dort ihre Jungen zur Welt bringen. Wir haben von all dem leider nichts gesehen. Wir fahren noch um die „Stiefelspitze“ herum und erreichen unser heutiges Ziel, einen kleinen Ort Namens Bova Marina. Der südlichste Zipfel des italienischen Festlandes wirkt eher trostlos. Die kleinen Städte sehen grau, verlassen und unattraktiv aus. Überall gibt es aufgegebene Betonbauten die zu Staub zerfallen. Einzig der Strand, der zieht sich endlos von der „Stiefelspitze“ bis zum „Mittelfuß“. Es gibt klares Wasser und unser Ankerplatz bietet auf Grund vieler bewachsener Felsen unter Wasser ein ausgezeichnetes Schnorchelrevier. Am Abend füllt sich der Ankerplatz mit auffällig vielen, anderen Katamaranen. Alle, wie auch wir, im Transit zur/von Straße von Messina. Am nächsten Morgen gibt es für uns einen direkten Transit vom Bett ins Wasser, Kaffee mit Krümeln auf der Zunge für mich, Anker auf und weiter Richtung Norden. 41 Meilen bis Roccella Ionica. Wir haben in der Woche, als Micha mit uns segelte, zum ersten Mal unseren Parasailor ausprobiert. Ein großes Vorwindsegel (vor dem Wind, Wind also von hinten) welches sehr gutmütig ist, aber bei Fehlern auch ein großes Potential zu Katastrophen hat. Ich habe mich offen gestanden vorher nicht getraut dieses Segel allein auszuprobieren, da ich noch nie solch ein Segel gefahren habe. So fühlte es sich einfach besser an, beim ersten Versuch jemanden mit an Bord zu haben, der über viele Erfahrungen im Segeln verfügt, trotz dass der Parasailor auch für ihn eine Premiere war. Micha hat uns auch ein neues Bein für Heidrun mitgebracht, welches ich hab zu ihm liefern lassen, da wir selbst ja keine zuverlässige Adresse haben. Und heute war der perfekte Tag, um beide miteinander bekannt zu machen und auszuprobieren. Wenig Wind und den fast von hinten, keine Wellen, Sonnenschein.

Erst setzen wir den Parasailor unter elektrischem Autopiloten …

… dann machen wir ihn mit Heidrun bekannt.

Was war das ein Erlebnis. Das Segel war beherrschbar (war auch wenig Wind) und es zeigte sich als tatsächlich gutmütig gegenüber leichten Windstärken und Richtungsänderungen. Das besondere an diesem innovativen Segel ist der quer eingenähte Flügel. Jeder kennt einen Spinnaker, dieser große, aufgeblähte Anorak der manchmal vor Segelbooten hängt. Lässt der Wind nach fällt er zusammen, kommt der Wind wieder, bläht er sich mit einem lauten Knall wieder auf. Und ein Spinnaker erzeugt Druck auf die Mastspitze nach vorn und drückt dadurch den Bug nach unten. Der Flügel im Parasailor verhindert das. Er erzeugt Auftrieb nach oben, belastet also nicht das Masttop, sondern das Deck am Bug und hebt es an. Und er knallt nicht wenn der Wind nach einem Aussetzer wiederkommt, da der Flügel gleichzeitig ein „Überdruckventil“ bildet und Luft entweichen kann. Also alles in allem sind wir vor Freude gehüpfte da es so prima geklappt hat. Wir erreichen unser heutiges Ziel am frühen Abend, ein unscheinbares Miniörtchen mit feinstem Sandstrand, kein Lärm, keine Motorboote. Der Anker sieht den Sand nur und hat schon angebissen. Abendessen, Blick in die Runde, Knutsch, Nachtü.

Morgens wieder hops ins Wasser, Anker auf und auf zur nächsten Etappe: 47,5 Meilen bis Le Castella, das Ende des „Mittelfußes“ ehe die Hacke beginnt. Der Wind kommt nicht so schön wie gestern von hinten, sondern eher seitlich. Also bleibt der Parasailor verpackt und Vor- und Großsegel machen heute die Arbeit. Der Wind ist mit 10 Knoten freundlich blau und lässt uns entspannt weiter nach Norden kommen.

Das ist die Art zu segeln, die man sich immer wünscht. Leider ist die Quote tatsächlich aber viel schlechter.

Im Laufe des Tages rollt uns ein Schwell von schräg-vorn unter das Boot, der den bis dahin so schönen Segeltag in einen eher ungemütlichen Tag verwandelt. Kaimiloa hat schon wieder einen latenten Hang dazu, den Storch im Salat frei zu lassen. Kommt der Schwell noch weiter von der Seite, ist der Storch nicht mehr aufzuhalten. Wir haben Glück, die Dünung rollt weiter von schräg-vorn, nimmt aber zu.

So beschränken sich die Bootsbewegungen auf ein lästiges Auf und Ab in Längsrichtung was unbequem, aber bei weitem nicht so nervtötend wie der Storch im Salat ist. Wir kommen gg. 18.30 Uhr in der Bucht Le Castell an und freuen uns über die Größe. Größe heißt Platz, kein Angst zu dicht an andere Boote zu geraten. Die Bucht ist zwar auch nur gegen NO bis NW Winde geschützt, aber genau der hat sich angekündigt. Wir werden hier zwei Tage pausieren da der Wind zum einen mit 25 Knoten wehen wird und zum anderen für unser Ziel Korfu einfach aus der falschen Richtung. So gibt es Strandspaziergänge, bisschen Einkauf von frischem Obst und Gemüse und mal sehen.

Wenn sich am Wetter nichts ändert, hoffen wir am Samstag in Korfu zu landen.

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