Am 28.06. gegen 09.00Uhr hieß es Anker auf zur rund 200 Meilen (365 km) langen Überfahrt von Sardiniens Nordosten zum italienischen Festland. Je nach Windrichtung hatten wir uns drei mögliche Orte zum Landfall ausgesucht und etwa 30 Stunden eingeplant. Angekommen sind wir im kleinen Küstenort Gaeta, etwa 75 Meilen südlich von Rom. Eine hübsche, kleine Stadt für die die Zeit sie ausgiebig zu besuchen leider nicht da war. Aber an einem kleinem Markt bekamen wir den für unseren Geschmack besten Mozzarella Italiens


Nach einer Nacht in der dortigen Ankerbucht starteten wir am nächsten Tag zeitig, um die 45 Meilen bis nach Neapel zu schaffen. Davon, von unserer spannenden Überfahrt und von den Tagen davor wird Micha in einem schonungslosen Beitrag berichten.
Man sagt der erste Eindruck trügt nicht. Oft mag das stimmen aber als wir Neapel, bzw. den Golf von Neapel erreichten und einen ersten Blick auf die Stadt werfen konnten wollten wir die Richtigkeit des Sprichwortes nicht glauben. Wer glaubt, mit Neapel eine ehrwürdige, geschichtsträchtige Stadt zu besuchen wird schon im ersten Moment enttäuscht sein. Aber das muss ja nichts heißen, ist ja nur der erste Eindruck.


Wir machen uns landfein, um eine erste Erkundung der Stadt durchzuführen. Eigentlich nur als Alibi, denn wir hatten Hunger und große Lust auf Pizza, Pasta und Gelato. Beiboot runter und ab ging die Fahrt Richtung Land. In bekannten Foren war nachzulesen, dass man das Beiboot gut unter der Brücke rechts in der Nähe der Segelschule abstellen kann. Nichts konnte man dort abstellen. Die beschriebene Stelle, nahe am angrenzenden Yachthafen Santa Lucia war proppenvoll mit Holzkähnen, Schlauchbooten und schwimmenden Pontons, die garantiert keinem Touristen gehörten. Dieser Ort war fest in neapolitanischer Besetzung. Also fuhren wir zurück in der Hoffnung, irgendwo an den meterhohen Wellenbrecheranlagen eine geeignete Stelle zum Aussteigen zu finden. Unmöglich. Die sich über den gesamten Uferbereich der Stadt erstreckenden Wellenbrecher bestehen aus riesigen, formlosen Felsbrocken, steil übereinander geschüttet. Keine Chance dort auszusteigen geschweige denn das Beiboot sicher liegen zu lassen. Was nun? Ich erinnerte mich in der Seekarte gesehen zu haben, dass an zwei Bereichen Wellenbrecher vorgelagert sind um dahinter eine ruhige Zone zu schaffen. Also versuchen wir es dort. Die Stelle war schnell gefunden und überfüllt mit Menschen, die ihren Abend dort verbringen wollten. Und dort sah ich auch zum ersten mal den angemessen, skeptischen Blick der Jugendlichen, ob wir uns wohl wirklich trauen würden, dort anzulegen und die eingeschworene Gemeinschaft zu stören. Wortlos waren wir uns darüber einig, dass es ein Fehler wäre dort auszusteigen.
Also zurück zur beschriebenen Brücke und dann in den Yachthafen in der Hoffnung, dort eine Stelle zu finden. Auch der Hafen war überfüllt mit großen, teuren Luxusyachten, Schlauchbooten und Holzkähnen. Jeder Quadratmeter war benutzt und irgendwie sah ich immer Schilder „Proibito Privato“ obwohl die nicht da waren. Heißt, man fühlt ganz genau, hier wird man augenblicklich als Eindringling erkannt und weggeschickt.
Also fuhren wir weiter Richtung andere Stadtseite und fanden auch einen perfekten, kleinen Anleger aber auch voll mit Kähnen und Menschen mit diesem Blick. Also zurück und wir versuchen es doch im Hafen. Ein Pfiff vom Anleger nahm uns die Entscheidung ab. Pepe stand mit winkenden Armen zwischen den anderen Menschen und zeigte auf eine frei Stelle wo wir das Boot hinlegen könnten. Pepe der Samariter? Nee. „Wie lange wollt ihr bleiben? Zwei Stunden? 10 € wenn ihr zurückkommt. Ob das legitim ist will ich bezweifeln. Eins ist aber sicher: kein Geld, wahrscheinlich kein Beiboot mehr da bei der Rückkehr. Willkommen in Neapel.
Der erste Spaziergang durch die Stadt konnte den ersten Eindruck nicht ändern. Die Stadt wirkte schmutzig, unruhig, überall Zerfall, Müllberge.
Das Restaurant allerdings war gut, freundlicher Kellner mit kaputter Hose, leckeres Essen. Danach noch die Suche nach der nächsten Gelateria, Erfolg, auch lecker. Zurück zum Anleger, Pepe erwartet uns und verweist auf unser unversehrtes Beiboot. Was ein tüchtiger Kerl er ist. 10 € wechseln den Besitzer und er ruft uns zu, dass wir morgen wieder kommen können und dass wir nach ihm, Pepe fragen sollen.
Am nächsten Morgen verabschieden wir unseren Freund Micha in aller Herrgottsfrühe, die Woche ging viel zu schnell vorüber.
Micha hat mir seinen besonderen Espresso da gelassen. Ein paar Tage ohne Kaffeekrümel im Mund für mich. Danke bei Lieber.
Wir fahren am Vormittag wieder mit dem Beiboot zum Anleger hinter dem Hafen, kein Pepe da und auch sonst nimmt niemand irgendwie Notiz davon, dass wir festmachen. Wir haben keinen Plan, wollen einfach nur durch die Stadt spazieren und sehen, was uns erwartet.
Zuerst, natürlich eine Kirche. Auf dem „Piazza del Plebiscito“ befindet sich der Königspalast und die „Basilika San Francesco di Paola“. Da die Kirchentür weit offen steht entscheidet Frau sich dafür.



Anschließend schlendern wir ziellos durch die Straßen und biegen in eines der lichtschwachen, mit Vorhängen aus Wäsche versehenen Gässchen ein die Neapel zu dem machen, was es ist: Ein Teil der Seele das Landes. Der Süden war schon immer anders sagt man und behauptet, dass das wahre Italien nur zwischen Neapel und Palermo zu finden ist. Der Teil des Landes in dem sich alles trifft: Mafia, Migration, Arbeitslosigkeit, Misstrauen. Wo der Frisör vorn im Laden Kunden bedient während hinten Geschäfte gemacht werden.





Man muss schon ein besonderer Schlag Mensch sein um in diesen trostlosen Gassen zu leben. Aber wie man sieht, es geht. Es ist voll, es ist laut, es ist eng, es ist schmutzig und an jeder Ecke stinkt es anders. Und trotzdem wirken die Menschen fröhlich. Oder man will es als Tourist so sehen.
Wir besuchen den „Complesso Monumentale Chiostro die Santa Chiara“ (was ein klangvoller Name), ein Kloster mit Basilika, dessen Geschichte bis in den Anfang des 13. Jahrhunderts zurückreicht, bekannt durch seine üppigen Freskos, archäologischen Ausgrabungen und seinen Klostergarten mit besonderen Säulengängen. Der Besuch lohnt sich ob seiner Bildgewalt auch ohne Kunsthistoriker zu sein.













Als wir am Abend zum Beiboot zurückkommen, bezahle ich freiwillig unsere Schutzhafengebühr an jemanden, der aussieht wie Pepes Bruder, Schwager, Neffe, Cousin der sie kopfnickend annimmt. am folgenden Tag wiederholt sich das nochmal.
Wir besuchen das ausgegrabene Pompeji. Da wir nicht unnötig viel Zeit mit Unbekannten in der Gleichung verbringen wollen, bucht Claudia uns online eine fertige Tour. Und das war eine gute Idee. Wir werden bei Pepe am Anleger abgeholt, bis Pompeji gefahren, müssen nicht anstehen, bekommen eine englischsprachige Führung, fahren zum Vesuv hinauf und werden Abends bei Pepe wieder abgesetzt. Einzig, die im Preis enthaltene Pizza mit Softdrink kann man sich sparen und lieber noch etwas länger in der Ruine der Stadt verbringen.
Freunde, Pompeji ist das Highlight, unser Highlight im Golf von Neapel. Allein die Tragik der Geschichte dieser Stadt und seiner Bewohner ist schon spannend. Die Stadt mit ihren Tempeln, Straßen, Plätzen und Häusern faszinierend. Wie sie lebten (wenn man den Historikern Glauben schenken darf) ist der Gipfel des Glücks. Wein, Weib (oder eben auch Jungs), Spiele, Theater, Gesang. Seht euch das an, wenn ihr mal in Süditalien seid.
















Am 06.07. brechen wir Vormittags auf, um unser nächstes Ziel, die Insel Korfu im ionischen Meer in Griechenland zu erreichen. Wir sind dort mit Hasis Kindern Anfang August verabredet. Vor uns liegen ca. 460 Nm (ca. 850 km) rund um den italienischen Stiefel herum, welcher als Segelrevier eher als unbequem gilt. Wir erhaschen noch einen Blick auf den Vesuv und sind froh, den Golf von Neapel zu verlassen, da er seit 3 Tagen nach Kloake stinkt. Kein Witz.

Bei den skeptischen Jugendlichen hätte ich auch nicht angelegt 😁
Allein wegen der Angst ums Beiboot würde ich nie in Städten anlegen, ihr seid mutig!