Pan Pan – Pan Pan – Pan Pan

Pan-Pan ist eine internationale Notrufmeldung im Funkverkehr, welche auf Kanal 16 abgesetzt wird, wenn das Fahrzeug oder seine Insassen gefährdet aber nicht akut lebensgefährlich bedroht sind.

Wir sind manövrierunfähig und liegen mittlerweile querab (seitlich) zur Welle, so dass Kaimiloa wie der Storch im Salat über jede einzelne Welle steigt. Einer der Nachteile des Katamarans, dass er mit dem einen Rumpf eine seitlich kommende Welle aufsteigt, um sie im nächsten Augenblick auf der anderen Seite wieder abzusteigen, während im fast selben Moment der andere Rumpf dieselbe Welle aufsteigt und gleich auf der anderen Seite wieder absteigt. Der Wind hat inzwischen auf 7 Bft. zugelegt, im Inneren fliegt alles durcheinander, was nicht ordentlich fest ist oder nicht mehr stehen kann. Und das ist verdammt viel. Während ich immer noch versuche eine Lösung für dieses Dilemma zu finden sagt Claudia: …“dann setze einen Notruf ab …“. Soll ich? Funke ist an, Kanal 16, maximale Sendeleistung eingestellt, Sprechmuschel in die Hand:

Pan Pan – Pan Pan – Pan Pan

all Stations, all Stations, all Stations

this is SV Kaimiloa, MMSI: two one one one one zero nine two zero, call sign: Delta Kilo four two five one

our position: 36 degrees – 41 minutes – 21 seconds north, 7 degrees – 35 minutes – 24 seconds west

after collision with an unknown object, our boat is no longer under control. both rudder don’t work. drifting in high seas. need urgency help to get to the next harbor.

over

( Pan Pan Pan, an alle Stationen an Land und auf See, hier ist Segelschiff Kaimilio, mmsi …, Rufzeichen …, unsere Position …., nach Kollision mit einem unbekannten Gegenstand ist das Schiff nicht mehr unter Kontrolle. Beide Ruder funktionieren nicht mehr. Treiben in hohen Wellen. Brauchen dringend Abschlepphilfe zum nächstgelegen Hafen)

Und nun lauern. Funktioniert das ganze Seenotrettungssystem wirklich? Sind wir überhaupt zu hören, 43 Meilen (ca. 68 km) entfernt vom Festland wo doch ein VHF Signal nur 20 Meilen (ca. 32 km) weit reicht? Ist denn jetzt noch jemand wach am Funkgerät? Nach etwa einer Minute meldet sich „Radio …..“ (wir haben es nicht verstanden), eine Landfunkstation mit weiblicher Stimme und bestätigt den Empfang unseres Notrufs. Sie meldet, dass sie den Notruf an das „rescu-coordination-center“ (Rettungsleitstelle) weiterleitet. Und prompt meldet auch die sich nach einer Minute, fragt nochmals unsere Koordinaten ab, erkundigt sich danach, ob es uns gut geht und teilt uns mit, dass in 10 min. ein Seenotkreuzer aus (wir haben es nicht verstanden) ausläuft, um uns zu bergen. Wir sehen uns fragend an. Sollten wir wirklich soviel Glück im Unglück haben? Ja, haben wir. Krawumms kommt die nächste Welle und wirbelt uns durch das Schiff, so dass wir Mühe haben auf den Beinen zu bleiben. Die Situation ist nach wie vor …… Ich meine, wir sollten versuchen einen Schleppanker (umgekehrter Regenschirm unter Wasser) vorn anzubringen, damit wir nicht mehr quer zur See liegen. Gesagt getan, wir kramen das Ding hervor, binden zwei lange Festmacherleinen zusammen und befestigen den Schleppi daran. Auf allen Vieren, angepickt mit Sicherungsgurten und mit Rettungsweste krabbeln wir nach vorn um den Anker auszubringen. Im Trampolin liegt noch die Hahnepott vom Ankern, ein Seil, was die Zugkräfte auf beide Seiten des Schiffs verteilt. Schleppi eingebunden und ab geht er über Bord in der Hoffnung, dass er das Schiff unter Wasser als Regenschirm derart bremst, dass wir uns mit dem Bug in den Wind und zu den Wellen drehen. Geschafft. Nur leider umsonst. Der Schleppanker treibt mit Kaimiloa querab zu den Wellen und macht so gar keine Anstalten zu tun, wofür er eigentlich da ist. Entweder ist das ganz großer Mist mit den Schleppankern oder wir haben etwas falsch gemacht. Jetzt ist auf jeden Fall nicht der richtige Zeitpunkt das herauszufinden. Wir lassen alles so wie es ist und krabbeln auf allen Vieren zurück ins sichere Cockpit. Luft holen. Wir sind ein Tischtennisball auf dem Ozean, ohnmächtig gegenüber den geschätzt 2,5 m hohen Wellen, ohnmächtig gegenüber dem Wind, der mit 25 kn. die Wellen wie einen Brummkreisel anpeitscht. Aber wir sind hier und ein Seenotkreuzer ist auf dem Weg zu uns. Nach jeder Nacht kommt immer wieder ein Tag. Wir sind erstaunlich ruhig, gefasst, keine Hektik, alles wirkt irgendwie überlegt.

Der Seenotkreuzer meldet sich per Funk, fragt nochmals unsere Koordinaten ab und teilt uns mit, dass er uns in 1 h, 45 min. erreichen wird. Wenn ich in die Seekarten sehe habe ich keine Ahnung, woher der so schnell kommen soll. Aber er kommt. 2 x 2.500 PS ist am Ende die Antwort auf meine Frage, woher er so schnell kommt.

„Unser“ Seenotkreuzer taucht bei Sonnenaufgang auf

Der Captain des Kreuzers teilt uns über Funk, nun angekündigt über Kanal 10 mit, dass er sich rückwärts nähert und man versuchen wird, uns zwei Seile rüberzuwerfen. Eine dünne Leine als Führungsleine, an der ziehen wir dann ein dickes Schleppseil zu uns und befestigen es an zwei Punkten Steuerbord und Backbord an unserem Schiff. Klingt nach einem guten Plan. Die ganze Aktion dauert ca. 60 min und zwei Versuche. Danach hängen wir sicher am Schleppseil des Seenotkreuzers und werden Richtung Norden nach Huelva gezogen. Bei dem Wind und dem Wellengang, nach wie vor querab, dennoch kein Wandertag. Kaimiloa ächzt und knarzzt unter diesen Bedingungen, scheint aber ihren Spaß daran zu haben. Scheint gerade so, als genießt sie das Ende ihres Winterschlafes. Es kracht und scheppert im Boot, als würden wir eine schwarze Piste in Österreichs Alpen hinunter rutschen. Wir sind trotzdem glücklich, kaputt und todmüde. Irgendwann reißt mit einem leisen Knall unser Navitisch aus seiner Verankerung. Wir schlafen derweil.

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(1) Kommentar

  1. Fabian

    Das ist Stoff für eine Netflix-Serie.. am ersten Tag schon voll ins kalte Wasser gestoßen.. Lasst euch nicht demotivieren! Ihr habt meinen größten Respekt :-*

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